Tour nach Patagonien (Chile/Argentinien) und in die mittelchilenische Seen- und Vulkanregion

Urlaubstour vom 27. Januar - 26. Februar 2002

Teilnehmer

Mit von der Partie waren diesmal : Kerstin und Thomas Frank, Jörg Helbig (DAV-Sektion Chemnitz).

Ziele unserer Urlaubstour

Torres del Paine Nationalpark, Chile
Perito-Moreno-Gletscher, Parc National los Glaciares, Argentinien
Fitz-Roy-Nationalpark mit Cerro Torre und Monte Fitz Roy, Parc National los Glaciares, Argentinien
Vulkan Osorno (2652m), Mittelchile
Vulkan Villarica (2840m), Mittelchile
Conguillo Nationalpark, Vulkan Llaima (3120m), Mittelchile

Ein Wort zu unserer Ausrüstung

Zur Beschreibung unserer Ausrüstung ist die Liste der mitgeführten Ausrüstungsgegenstände (Packliste) und die Inhaltsliste unserer beiden Transporttonnen hier beigefügt. Bei diesen Transporttonnen handelt es sich um 2 Expeditionstonnen von VauDe (Durchmesser 42cm, Höhe 64cm, Schraubverschluß mit Dichtung), die wir uns von der DAV-Sektion Chemnitz ausgeliehen hatten. Diese Expeditionstonnen haben sich auf der Tour 100%ig bewährt. Sie bieten die Möglichkeit, einen Teil des Gepäcks vollständig vor Staub und Nässe geschützt auf der Ladefläche der Pickup's/Chamionetta's zu transportieren, was insbesondere für die Daunenschlafsäcke, Zelte, einige Lebensmittel und die Bergsportausrüstung von Bedeutung war. Die Mitführung dieser Tonnen im Fluggepäck ist unproblematisch, da die Abmaße die für Fluggepäck vorgeschriebenen Maximalmaße nicht überschreiten. Eine kurze Anfrage per Email bei der Fluggesellschaft ist trotzdem ratsam (ich hatte den Email-Schriftverkehr mit Lan Chile dabei und mußte ihn auch einmal vorzeigen). Es ist sehr hilfreich, eine Inhaltsliste der Transporttonnen in der jeweiligen Landessprache mitzuführen - auch eine englische Liste ist oft nicht ausreichend (schon am Inlands-Flugschalter von Santiago de Chile war es mit den englischen Sprachkenntnissen des Personals vorbei, und eine Liste in Spanisch wäre sehr hilfreich gewesen). Besonderes Mißtrauen wird derartigen Tonnen insbesondere in Hinsicht auf eventl. enthaltenes Kocherbenzin entgegengebracht. Kann man diese Zweifel nicht zerstreuen, so ist Auspacken der Tonne am Flugschalter angesagt.

Reisevorbereitungen

Die Reisevorbereitungen für diese 4wöchige Urlaubstour nahmen ungefähr ein halbes bis dreiviertel Jahr in Anspruch, wobei erste Absprachen mit Jörg schon über ein Jahr vor Beginn der Urbaubstour getroffen wurden. Neben dem Studium von Reiseführerliteratur und Kartenmaterial erwies sich die Organisation/Buchung der beiden Mietwagen für die 14tägige Tour durch Patagonien und die anschließende 14tägige Tour durch die mittelchilenische Seen- und Vulkanregion nördlich von Puerto Montt als der aufwendigste Teil der Reisevorbereitungen. Auf Grund der rauhen Straßenverhältnisse - insbesondere in Patagonien - unterliegen die Fahrzeuge einem extremen Verschleiß, was sich unangenehm in den Mietwagenpreisen niederschlägt. Die Angebote verschiedener Mietwagenfirmen und Reiseveranstalter wiesen auch eine ungewöhnlich breite Streuung auf, so daß ich zu einem breiteren Angebotsvergleich gezwungen war. Das Ergebnis ist aus der beigefügten Tabelle der Mietwagenangebote ersichtlich.

Die Flüge Frankfurt - Madrid - Santiago de Chile haben wir ursprünglich bei Lan Chile gebucht gehabt, mußten dann aber wegen Flugplanänderungen nach dem 11. September 2001 auf Flüge von Iberia ausweichen (nicht besonders empfehlenswerte Fluggesellschaft, s.u.). Die 3 Inlandsflüge Santiago-Punta Arenas, Punta Arenas-Puerto Montt und Puerto Montt-Santiago haben wir über einen Lan Chile Air Pass zum Pauschalpreis zu den Atlantikflügen dazugebucht. Da wir wegen der Bergsteiger-Ausrüstung recht umfangreiches Gepäck dabei haben werden, haben wir uns Flüge gesucht, bei denen das Gepäck nach dem sogenannten Piece-Concept gehandelt wird, d.h. pro Person sind max. 2 Gepäckstücke mit je max. 32 kg Gewicht erlaubt. Bei drei Personen wären das maximal 32 kg x 6 = 192 kg Ausrüstung - damit sollte man dann eigentlich in 4 Wochen Urlaub ganz gut hinkommen... :-)) Bei uns Dreien zeigte die Waage dann am Ende etwas über 100 kg an.

Die erste und letzte Übernachtung in Punta Arenas haben wir über das Internet per Email reserviert (The Pink House - Casa Rosada, Punta Arenas Email: pinkhouse@chileanpatagonia.com), was auch aufs Beste funktioniert hat.

Zur Reisevorbereitung haben wir die folgende Literatur verwendet:

Nelles Maps, Chile
Maßstab 1:2.500.000
ISBN 3-88618-575-3
Lonely Planet Travel Atlas Chile & Easter Islands
Maßstab 1:1.000.000 und 1:250.000
ISBN 0-86442-517-1
Ortrun C. Hörtreiter : Reisehandbuch Chile
Iwanowski's Reisebuchverlag, 2000
ISBN 3-933041-10-4
Günther Wessel : Chile und die Osterinsel
Reise Know-How Verlag Därr, 2000
ISBN3-89416-814-5
Dirk Heckmann : Robinson Reisebegleiter Chile & Antarktis & Osterinsel
OPS-Verlag, 1998
ISBN 3-930487-58-6
Lonely Planet : Chile & Easter Island
Lonely Planet Publications, 5. Auflage, 2000
ISBN 1-86450-088-3
Lonely Planet/Clem Lindenmayer : Trekking in the Patagonian Andes
Lonely Planet Publications, 2. Auflage, 1998
ISBN 0-86442-477-9
Tim Burford : Chile and Argentina - Backpacking and Hiking
Bradt Publications UK, 1998
ISBN 1-898323-70-4
Chile: Torres del Paine Circuito
Dirk Heckmann, Outdoor-Handbuch, Band 81, Conrad Stein Verlag, 2000
ISBN 3-89392-181-8
Torres del Paine Trekking Map
Sernatur, Maßstab 1:80.000
ISBN 1-879568-35-7
Monte Fitz Roy & Cerro Torre, Trekking and Mountaineering Map
World's End, Maßstab 1:50.000 und 1:100.000
ISBN 1-879568-29-2

Vorrede

Der Urlaub fing zunächst im Vorfeld mit einer bösen Überraschung an. Für den Sonntag hatten wir unsere Flüge nach Punta Arenas im chilenischen Patagonien gebucht. Mittwoch war ich noch mal wegen einer Tetanus-Impfung bei meiner Ärztin. Die Frage nach vorliegenden Erkältungen beantworte ich zu diesem Zeitpunkt wahrheitsgemäß negativ. Am Donnerstag erwischt mich aus heiterem Himmel eine heftige Virusgrippe - starkes Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen... All die Dinge jedenfalls, die man unmittelbar vor einer Flugreise über 18 Stunden auf keinen Fall gebrauchen kann. Freitag früh bin ich also wieder bei meiner Ärztin: Sie will mich erst 14 Tage krank schreiben, was uns aber nicht so richtig weiterhilft. Dann bekomme ich von ihr Antibiotika, mit denen ich die gravierendsten Symptome bis Sonntag früh auch wirklich in den Griff bekomme. Ich schleppe die Grippe noch bis Dienstag/Mittwoch mit mir herum, dann ist auch diese Episode vergessen.

Die nächsten zwei Tage geht es mir aber während der Reisevorbereitungen gar nicht gut. Während des Packens der Transporttonnen und des Rucksacks muß ich mich immer mal wieder hinsetzen um auszuruhen. Trotzdem bekommen wir alles irgendwie auf die Reihe. Meine größten Bedenken während dieser Zeit sind, Kerstin oder Jörg mit dieser Grippe anzustecken und dann in Patagonien damit ohne Zugang zu einem guten Arzt konfrontiert zu sein. Aber Kerstin bekommt zum Glück nur den Husten und den bekommen wir auch ohne die "großen Geschütze" wieder weg.

Sonntag, 27. Januar 2002

Um nach Frankfurt zu unserem Flieger zu kommen, haben wir von SIXT einen Opel Omega Kombi gemietet. Das Gepäck (2 Transporttonnen, 3 große Trekkingrucksäcke, 3 Tagesrucksäcke als Bordgepäck) ist so kein Problem. Kerstin fährt bei Sturm und Regen die ganze Strecke bis Frankfurt durch. Unser Flug ist ja in den letzten Wochen von einem Lan-Chile- zu einem Iberia-Flug mutiert, so daß bei Ankunft in Frankfurt zunächst die Tickets umgeschrieben werden müssen. Am Check-In-Counter gibt es eine kurze Diskussion wegen unserer Tonnen. Nach dem Vorzeigen meines Email-Schriftverkehrs mit Lan Chile (Deutschland) und des Inhaltsverzeichnisses werden die Tonnen aber akzeptiert.

Der Flug geht dann zunächst nach Madrid und von dort über Nacht nach Santiago de Chile. Iberia bekleckert sich mit ihrem Bordservice wirklich nicht mit Ruhm. Während des Fluges muß man sich jedes Getränk selbst aus der Bordküche holen (eine irre Praxis bei einem Jumbojet mit 4 Sitzplätzen in der Mittelreihe und wenn die meisten Passagiere über Nacht schlafen). Früh vor Ankunft in Santiago zweifeln wir schon, ob es noch ein Frühstück geben wird und holen uns aus der Bordküche ein paar Sandwiches. Nach 9 Stunden ohne Verpflegung gibt es dann doch noch kurz vor der Landung einen hastigen Bordservice.

Montag, 28. Januar 2002

Wir sind trotz des "tollen" Services von Iberia gut in Satiago de Chile angekommen. Da aber nun die Fluggesellschaft zu Lan Chile wechselt und wegen der Einreisekontrollen auf Lebensmittel und Agrarprodukte, die es auch in Chile gibt, müssen wir unser Gepäck komplett auschecken. Bei der Agrarprodukte-Kontrolle überkommt uns wegen unseres Studentenfutters in den Tonnen ein schlechtes Gewissen, aber wir schwindeln uns mit Meineid trotz Androhung von Gefängnishaft durch die Kontrolle.

Wir machen in Santiago keinen Stop-over sondern fliegen in ein paar Stunden sofort mit Lan Chile weiter nach Punta Arenas. Beim erneuten Check-in interessiert erneut der Inhalt unserer Tonnen (interessiert natürlich niemanden, wie die Tonnen überhaupt nach Chile gekommen sind). Ein Inhaltsverzeichnis in Spanisch würde jetzt ungemein gute Dienste leisten - haben wir aber nicht dran gedacht, obwohl wir das zu Hause mit Wörterbuch ganz gut hingekriegt hätten. Zunächst geben sich die Damen am Schalter aber mit meiner englischen Erläuterung zufrieden. Später beobachten wir aus dem Transitraum heraus den Verladevorgang und die dabei entstehende Verunsicherung. Unsere Tonnen werden auf dem Rollfeld erst einmal beiseite gestellt. Ein kräftiger Verladearbeiter liftet sogar eine der ca. 28 kg schweren Tonnen und schüttelt diese an seinem Ohr. Irgendwie vermutet man flüssige Brennstoffe oder noch Gefährlicheres in diesen Transportbehältnissen. Wobei wohl eine Bombe ausgeschlossen wird - denn wer schüttelt schon eine Bombe am Ohr?! Wir sitzen bereits im Flugzeug, da werden wir erneut ausgerufen und mitten im Gewühl in der Kabine nochmals auf Spanisch über den Inhalt der Tonnen interviewt. Erst nach meiner erneuten verbalen Beteuerung, daß sich in den Tonnen kein Fuel oder ähnliches befindet, dürfen unsere Tonnen dann doch mit.

Nach weiteren 3,5 Stunden Flug landen wir in Punta Arenas. Der Pilot geht steil runter und ich habe wegen meiner unterdrückten Erkältung extreme Ohrenschmerzen auf beiden Ohren. Auf dem Flughafen bin ich dann ziemlich schwerhörig. Noch im Flughafen bekommen wir von Hertz das Fahrzeug gegen unseren Voucher ausgehändigt, was gut organisiert ist. Der Pick-up ist ein Vorderachsen-getriebenes Gefährt von Nissan (Chile), und die Ladefläche ist wegen der Doppelkabine kleiner, als ursprünglich in unserer Vorstellung. Wir bekommen unser Gepäck aber gut unter dem Niveau der Bordwand verladen. Die extra georderte Ladeflächenabdeckung/-plane erweist sich im Hinblick auf den Straßenstaub als totaler Ulk, da sie kein bißchen über die Bordwand überlappt, sondern lediglich oben auf dem Rand aufliegt und von Gummistrippen gehalten wird. Auf dem Weg durch Patagonien wird sie im Fahrtwind stark flattern, und alles auf der Ladefläche wird total einstauben. Wir werden uns damit behelfen, daß wir die Rucksäcke in den Transportsäcken lassen, die wir für den Flug verwenden. Lebensmittel verstauen wir in Kartons aus Supermärkten, die wir nochmal in derbe Plastemüllsäcke stecken und zubinden. Wir sind froh, daß wir die Transporttonnen haben - die einzig trockene und staubsichere Verpackung unter diesen Bedingungen.

Nach Empfang des Fahrzeugs trollen wir uns todmüde in die Unterkunft und werden von Marisol im Pink House (Casa Rosada) aufs liebste empfangen. Unsere Unterkunft ist für dieses Ende der Welt vollkommen in Ordnung (3-Mann-Zimmer mit Dusche). Auf Empfehlung von Marisol gehen wir abends ins "Donde Marin" noch eine Kleinigkeit essen. Alle Globtrotter, die bei ihr übernachten, werden Stammgäste in dem Restaurant, wo auch wir mehrmals vorzüglich einkehren werden. Kerstin probiert die Bestellung auf spanisch und ist happy, daß der Kellner das bringt, was sie bestellt hat. Auf dem Spaziergang "nach Hause" bemerken wir dann wirklich, daß wir am anderen Ende der Welt sein müssen. Es ist 22 Uhr, wir haben Ende Januar, und die Dämmerung setzt gerade erst ein.

Ich schlafe die ersten zwei Nächte aber nicht besonders gut, da mein virusverseuchter Körper die Temperaturregelung noch nicht wieder beherrscht. Einmal wache ich nachts davon auf, daß ich meinen Schlafsack völlig naß geschwitzt habe (bei Daune besonders prickelnd). Erst am Mittwoch fühle ich mich langsam wieder normal.

Dienstag, 29. Januar 2002

Heute ist mein Geburtstag, und ich bekomme beim gemütlichen Frühstück Kerzen angezündet. Zunächst steht jedoch der Einkauf für die kommenden ca. 10 Tage auf dem Programm. Marisol empfiehlt uns einen Supermarkt, und dort bekommen wir eigentlich alles. Wir sind nur insofern ein wenig vor ein Problem gestellt, als es keine ausgeprochenen Fertiggerichte in Dosen, etc. gibt, wie wir das aus den USA und Europa gewohnt sind. Es gibt zwar Gemüsekonserven in Mengen, aber bei Fleisch und Wurst sieht es nicht so toll aus. Trotzdem gelingt es uns, Kombinationen für die benötigten Mahlzeiten zusammenzustellen.

Am Nachmittag fragen wir uns dann noch zu einer Ferreteria (Eisenwarenladen) durch, in der wir bencina blanca (white gasoline, Waschbenzin) für unsere Benzinkocher bekommen. Es ist so eine Art Verdünnung, und ich traue dieser Flüssigkeit anfangs nicht so ganz. So werden wir auf dem Weg nach Puerto Natales damit einen Kochertest machen, bevor wir an der vorläufig letzten Tankstelle vorbeifahren. Der Test ist jedoch erfolgreich - die Kocher funktionieren und auch der Brennwert des bencina blanca ist recht zufriedenstellend.

Nach den Einkäufen fahren wir nachmittags zu der Pinguinera an den Seno Otway (einen Meeresarm) hinaus, ca. 75 km von Punta Arenas entfernt. Auf dem Weg dorthin sehen wir mehrere Nandus (mit den Straussen verwandte Laufvögel). In der Pinguinera nisten um diese Jahreszeit Tausende von Magellan-Pinguinen in Erdmulden und -löchern. Der Nachwuchs hat Ende Januar schon eine stattliche Größe erreicht und ist nur durch das noch flauschige Federkleid von den Eltern zu unterscheiden. Da die Tiere in der Kolonie Besucher gewohnt sind, kommt man recht nah an die Pinguine heran (z.T. bis auf 2m Distanz) und kann sie gut fotografieren.

Abends lade ich Kerstin und Jörg anläßlich meines Geburtstags zu einer guten Flasche chilenischen Rotweins und einem köstlichen Abendbrot in unser Stammrestaurant ein.

Mittwoch, 30. Januar 2002

Für heute ist die Überfahrt in den Torres del Paine Nationalpark geplant. Einen Teil unseres Gepäcks lassen wir bei Marisol im Pink House zurück, um uns damit nicht unnötig zu belasten. Es ist hauptsächlich die Gletschertour-Ausrüstung für die Vulkane weiter im Norden, die wir hier in Patagonien nicht benötigen werden. Bei ganz nettem und zunehmend warmem Wetter fahren wir auf zunächst noch guter Beton-/Asphaltpiste nach Norden. In Puerto Natales tanken wir nochmals und kaufen nochmal Brot und Brötchen ein.

(Anmerkung Kerstin: Wir hatten zu entscheiden, wieviel Brot wir mitnehmen wollen. Allerdings war das Brot amerikanisch-weich. An Brötchensorten gab es eine reichliche Auswahl. Wir hatten die immense Anzahl von 30 Brötchen für unsere nächsten Vorhaben errechnet. Nun stelle sich einer vor, wie 30 Brötchen in Trekkingrucksäcke zu verpacken sind, ohne daß sie die Form verlieren. Die Männer waren regelrecht taub gegenüber meinen Einwänden, Brötchen zu nehmen. Sie wollten unbedingt Brötchen, die Salamistücke im Teig hatten. Daß die Marmelade zum Frühstück nicht dazu paßt, haben sie überhört. Letztendlich habe ich für mich die normale Variante geordert. Die Papiertüten hielten übrigens das Durchfetten in den nächsten Tagen auch nicht aus....)

Dann begeben wir uns auf die 130 km lange Schotterpiste in Richtung Nationalpark. Das Wetter hat immer weiter aufgeklart, und wir haben unterwegs gigantische Ausblicke auf die Berge des Parks und der Andenkette im Westen.

Am Parkeingang angekommen erzwingt ein von den Rangern vermeldetes Buschfeuer eine Änderung unserer Pläne. Ursprünglich wollten wir unsere Tour mit der Wanderung zum Grey Glaciar beginnen und auf der Südseite des Torres del Paine Massivs zur Hosteria los Torres laufen. Auf Grund des Buschfeuers kann man jedoch angeblich momentan nicht zum Rifugio Grey hinauf. So beschließen wir, die geplante Tour an ihrem anderen Ende - der Hosteria los Torres - zu beginnen und quartieren uns dort in der Nachbarschaft des Nobelhotels auf dem Zeltplatz ein. Den ganzen Tag waren die Torres im schönsten Sonnenschein zu sehen und wir hoffen auf ähnlich gutes Wetter, wenn wir morgen den Trail zu den Torres in Angriff nehmen. Nach der langen Schotterstraße ist unser Gepäck auf der Ladefläche des Pick-up total verstaubt, was sich die nächsten 4 Wochen auch nicht mehr ändern wird. In der Kiste mit den Lebensmittelkonserven hat sich innen ein Belag von Aluminiumstaub vom Abrieb auf der Strecke gebildet.

Donnerstag, 31. Januar 2002

Heute soll wieder ein wunderschöner Tag werden, und da wollen wir die günstige Gelegenheit nutzen, um den Torres del Paine Lookout zu erklimmen. Der Trail ist mit 3 3/4 Stunden (1 Richtung) ausgeschrieben. Für meine neuen Bergschuhe ist es der erste richtige (alpine) Bergeinsatz, was sich noch bitter rächen soll. Ich hatte die Schuhe vor der Reise schon 3 Mal bei längeren Wanderungen getragen, ohne daß sich dabei Probleme bemerkbar gemacht hätten. Aber alpine Verhältnisse und Höhenunterschiede lassen sich im Mittelgebirge nur schwer simulieren. Schon nach 1.5 Stunden Aufstieg habe ich die erste Blase an der Ferse. Kurze Zeit später auch an der anderen. Das Blasenpflaster wirkt kurze Zeit, dann versagt es aber, da ich in den Schuhen bei der sommerlichen Umgebungstemperatur zu stark schwitze. Ich mühe mich den Tag lang über die Tour, die es durchaus in sich hat.

Gegen 14:30 Uhr sind wir nach 920 Hm am Aussichtspunkt unterhalb der Torres. Das Wetter hat gehalten und wir haben prächtige Sicht auf die Felsentürme. Im See unterhalb der Torres del Paine schwimmen Eisberge, die von den Hängegletschern abgebrochen sind. Über den Torres ist nur selten eine vereinzelte Wolke zu sehen.

Im Abstieg habe ich zwar immer noch Schmerzen an beiden Fersen, aber ich will nicht noch mehr von unseren limitierten Vorräten an Blasenpflaster verbrauchen. Nach 9 Stunden und 1045 Hm sind wir wieder (ziemlich geschafft) an den Zelten auf dem Campingplatz. Meine beiden Füße sehen nicht gut aus, und die Fersen sind stellenweise offen. Es ist klar, daß ich die Bergschuhe die nächsten Tage nicht werde anziehen können. Ich werde - wenn überhaupt - die Wanderungen in meinen leichten und bequemen Turnschuhen absolvieren müssen. Fazit : Schöne Wanderung, aber eine denkbar mißglückte Premiere für meine Bergschuhe und somit kein guter Auftakt für einen Wanderurlaub.

Höhenmeter : 1045 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 9:00 h

Freitag, 1. Februar 2002

Auf der gestrigen Wanderung haben wir unterwegs erfahren, daß ein deutsches Pärchen trotz Buschfeuer in den letzten Tagen am Grey Glaciar war. Es wäre auf dem Weg nicht so schlimm gewesen, und von dem Buschfeuer wäre wenig zu bemerken gewesen. Da bei dem Zustand meiner Füße die längere Trekkingtour entlang des Ufers des Lago Nordenskjöld ohnehin unmöglich geworden ist, beschließen wir, in den nächsten 2 Tagen ebenfalls die Tour zum Rifugio Grey zu versuchen.

In der Nacht stürmt es und regnet ab und zu. Ich schlafe unruhig und denke darüber nach, was wir machen, wenn es früh zum Zeltabbauen stärker regnet. Doch zum Glück ist es früh zunächst recht trocken und spritzt nur vereinzelt. Wir packen unsere großen Rucksäcke in zwei Stunden um und planen Ressourcen für 3 Tage ein (da wir eventl. vom Rifugio Pehoe noch einen Abstecher zum Italiener-Lager unternehmen wollen). Gegen Mittag um 12:30 Uhr wollen wir den Katamaran vom Rifugio Pudeto zum Rifugio Pehoe über den Lago Pehoe nehmen. Wir haben zunächst Bedenken, ob die minimale Personenzahl für eine Überfahrt von mindestens 10 Personen erreicht wird, doch die Fähre wird dann sogar ziemlich voll. Das Wetter auf dieser Uferseite ist recht gemischt und es schauert öfters. Irgendwie hat hier im Nationalpark jede Seite des Gebirges ihr eigenes lokales Wetter. Die Cuernos (Hörner) über uns hüllen sich in Wolken. Doch in dem Tal des Lago Grey ist es freundlicher. Nach erfolgter Überfahrt empfängt uns am Rifugio Pehoe schönes Wetter, das auch den ganzen weiteren Weg über anhalten wird.

Der Weg ist abwechslungsreich, steigt zunächst über eine Höhenstufe an, führt dann an einem kleineren See vorbei und gestattet dann erste Ausblicke auf den Lago Grey mit seinen Eisbergen. Von diesem Punkt sind es jedoch noch fast 3 Stunden Wegs bis zum Rifugio Grey. Das Buschfeuer ist unterwegs an verbranntem Gras und Büschen in der Nähe des Trails erkennbar. Es liegt auch Brandgeruch in der Luft. Armee und CONAF-Leute sind zur Bekämpfung des Feuers im Einsatz. Den ganzen Weg über haben wir Sonne und z.T. starken Gegenwind. Kerstin ist ausnahmsweise froh, einen schwereren Rucksack tragen zu müssen. Das minimiert die Gefahr, vom Winde verweht zu werden. Nach 5:20 h erreichen wir ziemlich ausgedörrt das Rifugio Grey, das in Nähe des Gletscherabbruchs in den See an einer Bucht im Uferwald gelegen ist. Wir finden zwei gute Zeltstellplätze und kochen unsere Trekkingmahlzeit (Chili con Carne = scharf+gut). Den zweite Gourmetgang - Mousse o Chocolat - verschieben wir wegen der Fülle aufs Frühstück. Mehr oder weniger direkt vor unserer "Haustür" treiben Eisberge vorüber. Am Ufer werden Gletscherbruchstücke angeschwemmt, und es fehlt eigentlich nur der Whisky dazu. Beim Versuch, abends im Zelt noch etwas zu lesen, schlafen Kerstin und ich fast ein.

Höhenmeter : 430 Hm

Gehzeit : 5:20 h

Samstag, 2. Februar 2002

Früh beim Aufstehen ist es zwar wolkenverhangen trübe, aber durchaus trocken. Das Wetter könnte das Potential zum Besseren haben. Also starten wir nach dem Frühstück zunächst ohne Gepäck zum Aussichtspunkt oberhalb der Hütte (Mirador Glaciar Grey). Nach 1 Stunde wieder an der Hütte zurück heißt es, das Buschfeuer hätte sich auf Grund des Windes ausgebreitet und es dürfte heute keiner mehr den Trail zum Rifugio Pehoe zurückgehen. Es wird eine Liste mit drei Gruppen zur Evakuierung per Schiff über den Lago Grey zur Hosteria Grey am südwestlichen Seeufer erstellt. Wir lassen uns zunächst am Seeufer nieder, beobachten Eisberge und warten auf den Katamaran. Nach einiger Zeit beginnt es zu nieseln und dieser Niesel soll in den folgenden Stunden immer stärker werden. Wir ziehen uns in die ziemlich volle Hütte zurück. Aus den Gesprächen des Personals und dem Funkverkehr wird bald klar, daß es zwischen der CONAF und der privaten Schifffahrtslinie einen Disput über die 20,-USD Überfahrtsgebühr pro Person geht. Läßt uns die CONAF evakuieren, müßte sie wahrscheinlich die Kosten dafür übernehmen. Gegen 14:00 Uhr - draußen herrscht mittlerweile stärkerer Nieselregen - wird klar, daß das Schiff nur dann kommt, wenn wir die Passage selbst bezahlen. Andererseits wird kurz darauf der Weg zum Rifugio Pehoe durch die CONAF für begehbar erklärt.

Die meisten entscheiden sich für den sofortigen Aufbruch zu Fuß, so auch wir. Ohne die Wärme und den Gegenwind des Vortages sind wir heute deutlich schneller unterwegs. Mit zwei kurzen Pausen erreichen wir nach nur 3:45 h das Rifugio Pehoe. Die CONAF läßt mit Hubschraubern immer mehr Militär zur Brandbekämpfung in das Gebiet einfliegen, auch wenn wir auf dem Weg nur den Brandgeruch von Schwelbränden wahrnehmen und keine offenen Brände sehen können. Ziemlich durchnässt erreichen wir den Anleger des Katamarans zur passenden Zeit vor Abfahrt der Fähre. Angesichts der Wetterentwicklung, der Nässe unserer Klamotten und unserer klappernden Zähne setzen wir mit der Fähre zu unserem Auto über den Lago Pehoe über. Das Rifugio Peduto verdient jedoch seinen Namen nicht mehr, denn es ist nurmehr eine reine Privatunterkunft. In unserem durchnässten Zustand ist nun die Hosteria los Torres der letzte Notanker. Nach 1/2 Stunde Fahrt sind wir gegen 19:30 Uhr dort. Zunächst scheint alles ausgebucht, doch nach Kerstins Anfrage in Spanisch finden sich doch noch drei Übernachtungsplätze incl. Abendbrot und warmer Dusche. Im Flur knistert ein Kohleofen und spuckt wohlige Wärme. Wir können die Sachen trocknen, und es wird ein schöner Abend (auf der Ladefläche unseres Pick-up fand sich auch noch eine Flasche chilenischer Rotwein). Der Sturm und Regen in der Nacht kümmert uns nicht. Früh sind die Flanken des Paine-Massivs weiß verschneit.

Höhenmeter : 405 Hm

Gehzeit : 3:45 h

Sonntag, 3. Februar 2002

Nun haben wir die zwei möglichen Zugänge zum Paine-Massiv "ausprobiert" und eine weitere Tour bietet sich nicht so direkt schlüssig an. So beschliessen wir, unser Wetterglück woanders zu versuchen und reisen aus dem Torres del Paine Nationalpark mit Ziel Perito Moreno Gletscher ab. Der Weg führt uns zunächst nach Cerro Castillo, den Grenzort zu Argentinien. In dem Ort ist gerade chilenisches Rodeo angesagt und die zahlreich angereisten Gäste kampieren trotz Pampasturm überall im Ort mit einfachen Zelten auf jedem freien Stück Boden. Für uns ist Cerro Castillo insbesondere wegen der Tankstelle wichtig, die über eine weite Strecke die letzte sein wird. Die Zapfsäulenanlage ist für uns Europäer jedoch etwas gewöhnungsbedürftig - man hat offenbar als Diebstahlschutz kurzerhand die Zapfsäulen mit kleinen Häuschen überbaut und wirft den Zapfhahn durch eine kleine Luke.

Dann kommen wir zur Grenze nach Argentinien. Die Abfertigung auf der chilenischen Seite geht sehr schnell, da wir um diese Zeit auch die einzigen Reisenden sind. Nach wenigen Kilometern erreichen wir die argentinische Grenzstation. Dort müssen wir länger warten, da wir nach zwei Reisebussen ankommen. Das Abfertigungsprozedere involviert pro Person das Ausfüllen mehrerer Schriftstücke von Hand und mindestens 6 Stempel. Außerdem hat der argentinische Grenzbeamte Schwierigkeiten in der Zuordnung der Personen einer chinesischen Reisegesellschaft zu ihren vom Busfahrer eingesammelten Pässen. Das dauert...

Dann erwarten uns fast 140 km rauhe Schotterpiste durch eintönigste Pampa ohne jede Abwechslung. Erstaunlicherweise kann man mit unserem Pick-up auf dieser Piste annähernd 80-100 km/h fahren. Hinten schleudert es faustgroße Steine bis auf Höhe der Ladekante hinaus. Bei Gegenverkehr bremsen die Fahrzeuge stark ab, und jeder fährt am äußersten Rand seiner Straßenseite vorsichtig am Gegenüber vorbei - schließlich regeln die Mietverträge, daß die Frontschutzscheibe bei Schäden selbst zu bezahlen ist. Am Ende der Schotterstraße kommen wir wieder auf eine Asphaltstraße, die von der Küste nach Calafate führt, aber auch schon wieder größere Schlaglöcher aufweist. Nachmittags gegen 15:30 Uhr erreichen wir El Calafate. Es ist ein schönes kleines Städtchen am Ufer des Lago Argentino mit erstaunlich vielen Geschäften, die meisten davon sogar am Sonntag geöffnet. Banken haben zwar wegen des Sonntags geschlossen, aber unsere Dollar-Reisechecks werden trotzdem gern genommen (wen wunderts bei der gerade stattgefundenen Abwertung des argentinischen Pesos). Für mich und meine Füße besorgen wir ein paar provisorische Trekkingschuhe, in denen ich besser laufen kann als in meinen schwereren Bergschuhen. Auch unsere Lebensmittelvorräte werden in einem Supermarkt ergänzt, und wir essen in einer netten Kneipe zu mittag. Zum späteren Nachmittag fahren wir noch die ca. 85 km Schotterstraße zum Perito Moreno Gletscher hinaus und zelten auf einem "organisierten" Nationalpark-Zeltplatz für 4 Pesos pro Person und Übernachtung. Der Platz liegt ziemlich windgeschützt am Ufer des Brazo Sur inmitten von Uferwald.

Montag, 4. Februar 2002

Der heutige strahlende Sonnentag ist ganz dem Perito Moreno Gletscher gewidmet. Nach dem Frühstück fahren wir von unserem Zeltplatz die wenigen Kilometer bis zur Spitze der Landzunge zwischen Brazo Sur und Lago Argentino. Dort befinden sich eine Reihe von Aussichtsterrassen, von denen man einen guten Überblick über die Abbruchkante des Perito Moreno Gletschers hat, die ca. 50-60m über die Seeoberfläche aufragt. Seit es bei Abbrüchen von sehr großen Eismassen durch die ausgelöste Flutwelle Tote gegeben hat, ist es nicht mehr gestattet, die Absperrungen zu überqueren und zum Seeufer hinunterzusteigen. Aber die Sicht von den Aussichtsterassen ist auch ausreichend optimal.

Der Perito Moreno Gletscher ist dadurch bekannt geworden, dass er über lange Zeit ca. alle 13 Jahre die schmale Passage zwischen dem Brazo Sur und dem Lago Argentino mit seinen Eismassen verschlossen hat (der Perito Moreno Gletscher fließt ca. 2-3 m pro Tag). Dadurch war dem Brazo Sur der Abfluss genommen und der Seespiegel des oberen Sees stieg stark an (bis zu 40-50m über Normalpegel). Wenn der Wasserdruck auf die Eisbarriere zu stark zunahm, bahnte sich das Wasser wieder seinen Lauf und zerstörte die Eisbarriere des Gletschers in einem spektakulären Schauspiel. Wegen der Klimaveränderungen hat dieses Schauspiel allerdings Anfang der 80-er Jahre wohl das letzte Mal stattgefunden. Als wir uns am Perito Moreno Gletscher aufhalten, ist der Durchfluss, der die beiden Seen verbindet, ca. 100m breit und nur teilweise mit angeschwemmten Eisbergen blockiert.

Bei besten Bedingungen halten wir uns fast 5 Stunden am Gletscher auf und beobachten das Abbrechen der Eismassen, das alle 20-30 Minuten an einer vorher nicht vorhersehbaren Stelle der Steilkante erfolgt. Wenn große Eisblöcke in den See stürzen, entsteht eine Flutwelle und das zertrümmerte Eis breitet sich von der Absturzstelle halbkreisförmig über den See aus. Natürlich ist es der Ehrgeiz des Fotografen, einen möglichst spektakulären Abgang eines großen Eisbrockens im Bild festzuhalten. Dies ist jedoch schwierig. Denn normalerweise ereignen sich diese Ereignisse mehrere 100 Meter vom eigenen Standort entfernt und bis der Schall von dem berstenden und fallenden Eis zu einem gedrungen ist, ist die "Show" schon fast wieder vorbei und der Eisbrocken befindet sich bereits im Wasser. Wenn man nicht die Kamera in ständiger Bereitschaft hält und schon annähernd in die richtige Richtung geschaut hat, ist es fast aussichtslos, ein solches Ereignis auch gut zu fotografieren. Wir beobachten den Gletscher lange Zeit und nach fast einem ganzen verschossenen Film gelingt uns gegen nachmittag die erwünschte Fotoserie. Ein Eisblock, der die ganze Zeit schon sehr gewagt auf der Kippe stand, löst sich unmittelbar gegenüber von unserem Standort von der Gletscherflanke und spendiert uns die schönen Bilder.

Von der angestrengten Gletscherbeobachtung und intensiven Sonneneinstrahlung ermüdet kehren wir am späteren nachmittag auf unseren Zeltplatz zurück und treffen Vorbereitungen für unsere morgige Weiterfahrt über El Calafate nach El Chalten und zum Fitz Roy.

Dienstag, 5. Februar 2002

Wir fahren früh am Perito Moreno Gletscher los und werden den ganzen Tag strahlenden Sonnenschein haben. Ursprünglich hatten wir eine Klimaanlage in unserem Pick-up für Patagonien für entbehrlichen Luxus gehalten. Bei dem nun schon mehrere Tage anhaltenden Sommerwetter sind wir froh, daß wir sie haben. In El Calafate nach 87 km Schotterstraße machen wir nochmal Zwischenstopp zum Tanken, Essen Nachkaufen (hauptsächlich Brot und Obst/Gemüse), etc. Dann machen wir uns an die ca. 215 km lange Strecke nach El Chalten über eine knochenbrecherische Schotterpiste wieder durch eintönige und weitgehend unbelebte Pampa. Unterwegs ergeben sich seltene Momente mit Ausblicken auf den Viedma-See und den gleichnamigen Gletscher und bei zunehmender Annäherung an unser Tagesziel auch auf Cerro Torre und Fitz Roy. Freunde von uns, die Patagonien des öfteren bereist haben, hatten weniger Glück mit dem Wetter. Regen, Sturm, sogar Schnee waren an der Tagesordnung. So mancher hat die Berge nicht wirklich in voller Pracht erleben dürfen. Somit lautete Kerstins Slogan: "Ich bleibe solange hier, bis ich wenigstens einmal die spitzligen Berge gesehen habe." Diese Wünsche waren jedesmal schon bei bloßer Annäherung erfüllt.

In El Chalten angekommen, suchen wir zunächst die Parkranger-Information auf, um uns eine erste Orientierung von den örtlichen Gegebenheiten zu verschaffen und vielleicht noch ein paar aktuelle Informationen zu bekommen. Erster Punkt ist wie immer die Suche nach einem Platz zur Übernachtung. Recht schnell entscheiden wir uns gegen die zwar vorhandenen, aber sehr, sehr einfachen Nationalpark-Campingplätze am Ortseingang und -ausgang von El Chalten. Stattdessen quartieren wir uns auf einem privaten Zeltplatz am oberen Ende von El Chalten ein (El Rilencho), der mit warmer Dusche, WC und einem Windshelter mit Sitzgelegenheiten ausgestattet ist. Letzterer wird sich in den folgenden Tagen noch als besonders wichtig und nützlich erweisen. Diana, die den Campingplatz organisiert, legt eine erfrischende Neugier an den Tag, plappert ununterbrochen in spanisch auf uns ein und will wissen, wie es sich in Europa lebt und wieso wir auf den Gedanken gekommen sind, hier Urlaub zu machen. Daß wir Mühe haben, das Spanisch zu verstehen (von Mutterspachlern wird es in atemberaubender Schnelligkeit gesprochen), stört sie keineswegs. Mit holprigem Spanisch, Händen und Füßen verstehen wir uns blendend. Abends erstrahlt der Gipfel des Cerro Fitz Roy über El Chalten in den Strahlen der Abendsonne.

Mittwoch, 6. Februar 2002

Das Wetter ist früh immer noch sehr schön (man erwartet in Patagonien nach der Lektüre der Reiseführer und Reisebeschreibungen ständig wechselndes und vor allem nicht so andauernd schönes und warmes Wetter). Nach dem gestrigen Fahrtag setzen wir für heute die Wanderung zum Lago Torre und Mirador Maestri an. Dort befindet man sich zwar noch in gebührender Entfernung, aber dennoch direkt unterhalb des mächtigen Cerro Torre. Diese Wanderung ist nicht allzu weit und mit 2:45 h in eine Richtung angegeben. Unterwegs halten wir immer mal an und genießen den bis dahin ungetrübten Blick auf die Bergkette mit dem daraus emporragenden Cerro Torre (3102m). 30 Minuten später, nachdem wir vom letzten Aussichtspunkt noch schöne Aufnahmen vom Cerro Torre gemacht haben, sind wir am Ufer des Lago Torre, und der Cerro Torre ist in dieser kurzen Zeit, in der wir das Bergsteigerlager und den kleinen Wald auf der Gletschermoräne durchquert haben, fast vollständig mit Wolken zugezogen - ist denn das der Dank !? Wir machen Rast am Seeufer, hoffen,dass es noch einmal aufklart.

Hier am See treffen wir mit einer deutschen Biologie-Studentin aus Santiago zusammen, die schon 7 Wochen durch Chile und Argentinien (allein) unterwegs ist. Von Santiago aus ist sie in diesen 7 Wochen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis hierher in den Fitz Roy Nationalpark vorgedrungen und will in ihren Semesterferien noch bis ans südlichste Ende nach Feuerland kommen. Alles was sie dabei hat, trägt sie ständig auf ihrem Rücken, darunter eine schwere Spiegelreflexkamera, die gerade hier am Cerro Torre ihren Geist aufgegeben hat (sie hat Ärger mit den neu gekauften Batterien). Den Rucksack hat sie mehr zum Spaß hier heraufgetragen, denn sie hat nicht vor hier zu übernachten. Sie steigt mit uns zusammen nach El Chalten ab. Abends macht sie sich auf die Weiterfahrt mit dem Abendbus Richtung El Calafate und chilenische Grenze.

Der Nationalpark-Zeltplatz hier oben am Lago Torre ist ziemlich groß und mit gut 30-40 Zelten belegt. Unter den Campern ist das Spektrum dabei weit gefächert - vom Touri-ähnlichen Wanderer (ähnlich uns) bis zu Lagern von Extrembergsteigern, die umfangreiche Ausrüstung rund um ihre Zelte aufgestapelt haben und hier ihre Basis für Touren in die hohen Berge unterhalten.

Angesichts der veschlechterten Sicht macht der Weiterweg zum Mirador Maestri keinen gesteigerten Sinn mehr. Wir würden auch nicht mehr zu sehen bekommen, als vom Seeufer aus. So kehren wir um und sind nach gemütlichen 6:50 h wieder in El Chalten an unserem Zeltplatz. Gegen abend frischt dann der Wind das erste Mal auf patagonische Weise auf. Wie sich aber in den nächsten Tagen zeigen wird, ist der Wind hier im Nationalpark auch noch steigerungsfähig.

Höhenmeter : 510 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 6:50 h

Donnerstag, 7. Februar 2002

Heute wird ein perfekter Tag. Es ist sonnig, warm und windstill. Wir wollen daher heute zum Monte Fitz Roy Lookout am Lago de los Tres. Ausgangspunkt soll für uns die Brücke über den Rio Electrico sein. Von dort aus wollen wir dem Rio Blanco aufwärts folgen und nachmittags über den Standard-Wanderweg nach El Chalten absteigen.

Doch der Tag beginnt mit schlechten Vorzeichen. Trotz der Länge der geplanten Tour kommen wir durch "Herumgemähre" relativ spät weg. Nach 7 km Fahrt auf der Schotterstraße bemerkt eine Person, die hier nicht namentlich erwähnt werden möchte, daß der Fotoapparat im Zelt liegengeblieben ist. Also kehren wir nochmal um und holen ihn. Dann hebelt mir auf dem ersten Stück des Wanderweges am Rio Electrico ein tiefhängender Ast einen meiner Teleskopstöcke aus dem Rucksack. Ich bemerke es erst bei unserer ersten Rast nach ca. 45 Minuten Wegs. Da ich mich an die Stelle zu erinnern glaube, haste ich schnell zurück. Ein uns entgegenkommender Wanderer hat den Stock jedoch bereits eingesammelt, so daß ich ihm bis zu unserem Auto an der Brücke nachlaufen muß. Zum Glück hole ich ihn noch ein, bevor er bei seinem Trampversuch nach El Chalten Erfolg hat. Ich habe meinen Bergstock wieder. Nach guten 45 Minuten schnellen Laufs bin ich wieder bei Jörg und Kerstin.

Doch die Situation wird nicht besser. Der von uns gesuchte Weg entlang des Rio Blanco existiert so wie in der Karte eingezeichnet nicht bzw. ist falsch markiert. Wir sind sicher, an der richtigen Stelle abgezweigt zu sein, doch der Pfad führt uns in Richtung der Autobrücke über den Rio Blanco zurück. Am Fluß treffen wir auf einen Gaucho. Doch das Gespräch mit ihm in unserem nur bruchstückhaften Spanisch (er spricht offenbar auch ein stark gefärbtes Spanisch) bringt auch keine klare Erkenntnis über den richtigen Wegverlauf. Er empfiehlt uns, den hier recht breiten und mindestens 50 cm tiefen Rio Blanco an einer Furt zu durchqueren und einen Weg auf der anderen Flußseite zu nehmen, den es in unserer Karte überhaupt nicht gibt. Nach dieser Konversation brechen wir diese Tour ab und vertagen den Monte Fitz Roy Lookout auf den kommenden Tag.

Um den Tag doch noch zu retten, laufen wir vom Rio Blanco zum Rio Electrico zurück und folgen dem Tal des Rio Electrico aufwärts zur Hosteria los Troncos. Der Weg ist ohne große Steigungen und führt fast vollständig durch dichten (Ur-)Wald. Erst an der Hosteria öffnet sich die Szenerie und man betritt eine große Schwemmlandfläche. Hier wird auch die bizarr geformte Nordwand des Monte Fitz Roy (3405m) sichtbar und man hat eine Reihe schöner Ausblicke. Auf der linken Talseite führt ein Steig die Bergflanke ca. 700-800 Hm hinauf zu einem noch direkteren Ausblick auf den Fitz Roy. Doch für einen Aufstieg dort hinauf ist es zu spät und bereits zu heiß (Nordwände auf der Südhalbkugel entsprechen unseren Südwänden). Für diesen Anstieg müßte man eventl. auch hier bei der Hosteria übernachten, um eine bessere Ausgangsposition zu haben. Wir treten daher wieder den Rückweg zu unserem Auto an.

Abends in El Chalten wollen wir essen gehen, erwischen jedoch ein Restaurant, in dem man uns halbgaren Lachs serviert (erst die Nachbehandlung in der Mikrowelle versetzt ihn in einen eßbaren Zustand) - ein ziemlicher Flop. Zurück auf dem Zeltplatz entwickelt sich nach 22:00 Uhr ein ziemlicher Sturm, der die Haltbarkeit unserer Zelte einer ernsthaften Prüfung unterzieht. Der Schlaf in dieser Nacht wird immer wieder durch starke Böen unterbrochen. Da es nicht regnet, stehe ich nachts auf und baue von unserem Zelt das Top über dem Kreuzgestänge ab, um die Angriffsfläche für den Wind zu verringern. Jörg hat sein Salewa-Zelt erst kurze Zeit und ist von dessen Qualitäten noch nicht 100%ig überzeugt. Er stützt in dieser Nacht zeitweise bei den heftigsten Böen das Zeltgestänge von innen, um das starke Durchbiegen der Zeltstangen zu verhindern. Unser Zelt (Xtend - leider ist die Firma mittlerweile insolvent) ist flacher gebaut und bereits am Mt. Shasta, USA auf 3000 m sturmerprobt. Ich habe eigentlich keine Bedenken, daß das Zelt dem Wind nicht standhält, auch wenn wir später feststellen müssen, daß der Sturm in dieser Nacht die in die Gurtbänder an den Zeltecken eingeschlagenen Halteösen für das Zeltgestänge einseitig gelockert bzw. herausgelöst hat. Wir lassen zu Hause die Schlagösen prophylaktisch ersetzen. Öfters würde also auch unser Zelt einen solchen patagonischen Sturm nicht gut verkraften.

Der Luftdruckabfall beträgt in dieser Nacht laut meiner Avocet-Höhenmesseruhr -16 mbar, ein Wert den ich in Europa noch nie in so kurzer Zeit beobachten konnte.

Höhenmeter : 235 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 7:30 h

Freitag, 8. Februar 2002

Morgens hat es sich stark bezogen. Der Monte Fitz Roy ist in Wolken gehüllt, und es stürmt den ganzen Tag unvermindert weiter. Ohne den Windshelter unseres Zeltplatzes wäre bei dem Wind eine Inbetriebnahme des Benzinkochers unmöglich und der Morgenkaffee müßte ausfallen. An die Tour zum Fitz Roy ist heute also nicht zu denken, und es bleibt die Erkenntnis, daß wir die von der Natur gebotene Chance auf einen perfekten Anblick des Monte Fitz Roy ohne äußere Not selbst vermasselt haben.

Wegen des anhaltenden Sturms müssen wir den Tag irgendwie anderweitig verbringen. Wir hoffen auf Wetterbesserung und beschließen für heute, zum Lago del Desierto am Ende der Schotterstraße zu fahren, und dort eine kleine Tour zu wandern. Es sind 38 km schlimme Schotterstraße mit riesigen und tiefen Schlaglöchern und Rinnen. Am Ende angekommen steigen wir zum Lago / Glaciar Huemul (= Andenhirsch) auf. Der See und Gletscher ist für so eine Verlegenheitstour ganz nett, aber auch kein besonderes Highlight.

Anschließend fahren wir wieder nach El Chalten zurück, wo es unvermindert über den Zeltplatz stürmt. Ob uns die ausstehende Tour zum Monte Fitz Roy noch gelingt, ist ziemlich fraglich geworden. Man kann nur noch darauf hoffen, daß eine ähnlich rasante Wetteränderung zum Besseren einsetzt. Der aktuelle Luftdruck von -12 mbar gegenüber gestern spricht eigentlich dagegen. Das allabendliche Kochen wird bei diesem Wind zur Herausforderung und das gekochte Essen wird schneller wieder kalt, als man dazu kommt, es zu essen.

Höhenmeter : 220 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 2:10 h

Samstag, 9. Februar 2002

Das Wetter hat sich über Nacht ein wenig gebessert und aus den gestrigen -12 mbar sind aktuell -7,...,-8 mbar geworden. Trotzdem ist es am Talschluß in Richtung Lago del Desierto ziemlich wolkig. Über El Chalten ist es jedoch aufgelockert. Da es unser letzter Tag hier im Fitz Roy Nationalpark ist, brechen wir früh zu der Tour zum Lago de los Tres auf. Die Tour beginnt mit ca. 400 Hm Anstieg und umrundet zunächst den Cerro Rosado oberhalb von El Chalten. Man hat schöne Ausblicke auf den Ort und das Tal des Rio de las Vueltas. Nach ca. 1 Stunde Gehzeit gelangt man im Tal des Chorilla del Salto zum ersten Ausblick auf den Monte Fitz Roy (3405m) und seine Nachbarn Aguja St. Exupery, Aguja Rafael, Cerro Poincenot (3002m), Aguja de la Silla und Aguja Mermoz. Während die Nebengipfel von Zeit zu Zeit zu sehen sind, hüllt sich seine Majestät Monte Fitz Roy heute in Wolken. Lediglich der linke Nachbar Cerro Poincenot ist weitgehend wolkenfrei.

Am Campamento Rio Blanco machen wir eine Mittagsrast, ehe wir den ca. 350 Hm steilen Anstieg zur Laguna de los Tres in Angriff nehmen. Hier befinden sich normalerweise auch die Basislager für die Extrembergsteiger mit Ambitionen auf die Besteigung dieser Felsennadeln, doch in dieser Saison wirkt das Lager recht verlassen. Der Anstieg zur Laguna de los Tres erfolgt mehr oder weniger in direktem Anstieg, Serpentinen scheinen hier weitgehend unbekannt zu sein. Gegen 14:00 Uhr stehen wir in starkem Wind oben an der Lagune zu Füßen des Monte Fitz Roy. Am anderen Ufer des Sees bginnt (oder endet) der Gletscher, der sich bis zu den Füßen der steil aufragenden Granitwände hinaufzieht. Wir laufen dann noch zum Abfluss der Lagune an deren linkem Rand hinüber, wo sich ein kleiner Wasserfall 400 Hm zu einem weiteren See hinabzieht. Auffallend ist die unterschiedliche Färbung der beiden Seen - während die Laguna de los Tres vom Gletscherwasser eher graugrün aussieht, ist der untere See leuchtend türkis. Über den beiden Seen breitet sich eine beeindruckende Welt aus Gletschern, steilen Wänden und Granitnadeln aus. Hätten wir bestes Wetter - man hätte mit einem normalen Fotoapparat von hier aus Mühe, die Wand des Fitz Roy überhaupt fotografieren zu können, der über dem See mehr als 2000m senkrecht ansteigt.

Wir suchen hinter einem großen Stein am Seeufer Schutz vor dem kalten Wind und warten bei etwas zu Essen noch ca. 1/2 - 3/4 Stunde, ob das Massiv vor uns nochmal von Wolken frei wird. Aber heute wird uns dieser Gefallen nicht getan. Etwas enttäuscht steigen wir ab. Es ist nicht so sehr das schlechte Wetter an diesem Tag, was mich enttäuscht. Freunde von uns hatten in einem anderen Jahr auch 5 Tage schlechtes Wetter am Stück hier im Nationalpark und mussten wieder abreisen, ohne den Fitz Ray zu Gesicht bekommen zu haben - damit muß man in Patagonien auch rechnen. Es ist mehr das Bewußtsein, von der Natur die Chance auf eine perfekte Tour zum Fitz Roy auf dem Silbertablett dargereicht bekommen zu haben und diese Chance nicht genutzt zu haben.

Auf dem Rückweg machen wir an den verschiedenen Aussichtspunkten noch öfter und länger halt und belauern die Wolken um den Monte Fitz Roy. Aber der Wolkennachschub aus Westen ist einfach unerschöpflich. Mehr als einen Schatten des Fitz Roy hinter einer Wolke können wir ihm heute nicht entlocken. Nach 9 Stunden sind wir wieder auf dem Zeltplatz in El Chalten zurück, duschen und kochen in unserem Windshelter wieder bei auffrischendem Wind. Während unseres Abendbrotes verdüstert sich der Himmel im Norden zusehends. Der Luftdruck ist wieder auf -12 mbar gefallen. Nach dem Abendessen sind wir noch in der Cervezeria von Vladislav - einem ausgewanderten Tschechen. Wir verkosten sein selbst gebrautes Helles und sein köstliches Dunkelbier, was sehr stark an zu Hause erinnert. Es gibt sogar ein Besucherbuch, in dem selbstverständlich auch wir die tschechischen Braukünste lobend erwähnen. Währenddessen beginnt es stark zu regnen. So kommen wir etwas durchnäßt an den Zelten an und legen uns gleich schlafen. Seit den letzten zwei Tagen hat es sich auch stärker abgekühlt und wir sind nachts froh über unsere Daunenschlafsäcke. Früh wird auf der Abdeckplane unseres Pick-up eine Pfütze mit einer Eisscholle sein.

Höhenmeter : 875 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 9:00 h

Sonntag, 10. Februar 2002

Noch in unseren Schlafsäcken liegend, hören wir einen der Zeltnachbarn begeisternd rufen: "It's a wonderfull day!" Es ist doch wie verhext - an unserem Abreisetag ist es nach dem nächtlichen Regen wieder sonnig, klar, und es herrscht strahlend blauer Himmel. Die Zelte sind zwar noch naß, aber der Regen hatte schon nachts aufgehört. Auch der starke Wind der letzten zwei Tage hatte sich komplett gelegt, und der Luftdruck ist nur in der einen Nacht um 12 mbar geklettert. Die Störung ist offensichtlich durchgezogen, und heute wird wieder ein perfekter Tag.

Wir beschließen, dies nicht einfach so hinzunehmen, sondern noch einmal bis zum ersten Mirador (Aussichtspunkt) den Wanderweg zum Fitz Roy hinaufzusteigen. Das hat außerdem den Vorteil, daß die Zelte bei unserer Rückkehr trocken sein werden, was insofern wichtig ist, da wir sie ja für mindestens 3-4 Tage verpacken werden. Jörg und ich schlagen ein ziemliches Aufstiegstempo an (max. 550 Hm/h) und bereits nach 45 Minuten Aufstieg sind wir am ersten Aussichtspunkt, von dem man das Fitz Roy Massiv überblicken kann. Der Monte Fitz Roy präsentiert sich heute in der Morgensonne in seiner ganzen Schönheit. Wir machen von zwei verschiedenen Standorten zahlreiche Aufnahmen und können uns lange von dem Anblick nicht losreissen. Wir bedauern, daß uns nicht die Zeit zur vollständigen Wiederholung der gestrigen Tour bleibt. Schließlich kehren wir um und steigen wieder nach El Chalten ab.

Am Zeltplatz angelangt, brechen wir die Zelte ab und verladen alles auf den Pick-up. Gegen 12:30 Uhr starten wir zur Rückreise nach Puerto Natales. Da jedoch die Tankstelle in El Chalten Mittagspause hat, zwingt uns das zu einem Abstecher nach El Calafate. Dort essen wir auch noch etwas in einer Pizzeria. Durch diesen Zeitverzug gibt es an der argentinischen Grenze auch nochmal einen spannenden Moment, da wir 19:45 Uhr vor einem verschlossenen Schlagbaum als einziges Fahrzeug stehen. Keine Menschenseele weit und breit - hat die Grenzstation am Sonntag um die Uhrzeit überhaupt noch geöffnet ? Doch das Grenzerbüro ist noch besetzt, und in Rekordzeit sind wir abgefertigt und wieder in Chile. Auf chilenischer Seite in Cerro Castillo tanken wir erneut an der abenteuerlichen Tankstelle. Dann sind es noch 63 km bis Puerto Natales, wo wir gegen 21:00 Uhr eintreffen. Einen Campingplatz gibt es hier nicht, und die Stadt ist ziemlich voll mit Trekkern und Touristen. Die ersten 3-4 Lodges, die wir anfahren, sind bereits voll, dann können wir für ca. 70,-USD ein Zimmer in einem Hotel bekommen, finden jedoch dann doch noch ein einfacheres und deutlich preiswerteres Quartier - Casa Evelyn - für 3500,-Pesos pro Person (ca. 7,-EUR). Dies genügt unseren Ansprüchen vollauf. Nach erfolgreicher Quartiersuche ziehen wir in die Stadt und beschließen den Tag in einem Restaurant bei gegrilltem Lammfleisch.

Höhenmeter : 370 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 2:30 h

Montag, 11. Februar 2002

Vormittags nehmen wir die eintönige Asphaltstraße nach Punta Arenas unter die Räder und sind gegen 12:30 Uhr am Casa Rosada. Marisol, die Eigentümerin, ist etwas über unser zeitiges Erscheinen überrascht, hat sich aber zu unseren Gunsten um einen Tag verrechnet, so daß "unser" Zimmer bereits frei ist, obwohl wir einen Tag zu früh wieder in Punta Arenas zurück sind. Wir laden den Pick-up aus, geben die dreckige Wäsche zum Waschen, schreiben noch ein paar Ansichtskarten und unternehmen noch einen Bummel in der Stadt. Morgen muß nun alles Gepäck wieder flugfertig verstaut werden.

Dienstag, 12. Februar 2002

Da wir für die Rückfahrt vom Fitz Roy Nationalpark nach Punta Arenas mehr als 1,5 Tage veranschlagt hatten, haben wir nun doch noch einen Tag Zeit bis zu unserem Flug nach Puerto Montt. Wir fahren also vormittags mit unserem Auto ca. 65 km an der Magellan-Straße entlang nach Südwesten zum Fuerte Bulnes - dem Punkt der ersten Besiedlung Patagoniens durch die Chilenen im Jahre 1842. Auf der Fahrt dorthin begegnet uns der Mittelpunkt Chiles in Form einer Stele. Wir sind überrascht, haben wir uns doch immer ziemlich "südlich" gefühlt. Da Chile aber einen Teil der Antarktis für sich beansprucht, rückt der Mittelpunkt an eine unerwartete Stelle Chiles. Dieses Fort ist ein wenig ein Kunstprodukt, da die Holzbauten 1944 durch den ortsansässigen Lions-Club als historische und patriotische Stätte wiedererrichtet wurden. Aber es ist neben der Pinguin-Kolonie die einzige Attraktion weit und breit. Gleichzeitig ist dieses Fleckchen Erde der südlichste Punkt, den wir während unserer Reise erreichen. Wir sehen das "Südkap", das südamerikanische Festland endet hier, und Feuerland wird durch die Magellan-Straße vom Kontinent getrennt.

Wieder im Pink House/Casa Rosada zurück packen wir unsere Transporttonnen für den Flug. Alles läßt sich erstaunlich gut komprimieren und verstauen - aber schließlich haben wir von unseren Essensvorräten auch schon etwas verbraucht. Gegen 14:00 Uhr machen wir uns auf die etwas mühsame Suche nach einem Cafe, in dem es Kaffee und Kuchen gibt, werden schließlich jedoch fündig. Das Abendessen findet wieder in dem kleinen Restaurant in der Nähe des Pink House statt. Wir verabschieden uns von Patagonien mit einem großen Stück gebratenen Lachs und einer guten Flasche chilenischen Rotweins.

Mittwoch, 13. Februar 2002

Früh regnet es stark. Patagonien will uns anscheinend den Abschied nicht so schwer machen. In der Abdeckplane des Pick-up steht eine 10cm tiefe Pfütze, die wir nur in die Ladefläche platschen lassen können, denn zum Herausdrücken ist das viele Wasser zu schwer. Wir verladen unser gesamtes Gepäck auf den Pick-up und fahren zum Flughafen hinaus. Ohne Schwierigkeiten oder Probleme geben wir unser Mietauto wieder zurück. Wir sind mit unserem Nissan Pick-up 2305 km in Patagonien gefahren. Zum Glück sind wir von Frontscheiben- und Reifenschäden verschont geblieben. Bei der Rückgabe des Wagens werden auch alle Scheiben und Räder (einschließlich des unter dem Wagen angebrachten Ersatzrades) auf Schäden untersucht.

Dann checken wir zum Flug ein und fliegen kurze Zeit später in einem hochmodernen Flugzeug mit Einzelmonitoren an allen Sitzen nach Puerto Montt. Unterwegs ist es wegen des Regens in Punta Arenas zunächst bewölkt, so daß wir erst keine Sicht auf die Andenkette haben. Aber so nach einem Drittel der Flugstrecke reißt die Wolkendecke auf und wir haben Sicht auf das Inlandeis und die großen von dort ins Vorland herunterziehenden Gletscher. Beim Landeanflug auf Puerto Montt begrüßen uns schon die Vulkane. Deutlich kann man hinter Puerto Montt den Osorno (2660m), den Calbuco (2015m) und den Tronador (3554m) ausmachen.

In Puerto Montt gelandet, ist auch unser Gepäck vollzählig mitgereist. Wir erledigen schnell den Umtausch der übrig gebliebenen argentinischen Pesos und der restlichen Reiseschecks in chilenische Pesos. Dann versuchen ich, unseren neuen Mietwagen zu bekommen. Man bietet uns vertragskonform einen frontgetriebenen Chevrolet LUV 4x2 Pick-up an, der in der Windschutzscheibe schon einen Treffer hat. Aber das Teil hat bei Besichtigung keine Abdeckplane über der Ladefläche wie von uns geordert. Ich reklamiere sofort und man bietet uns einen anderen Wagen an (dieser sogar mit Allrad-Antrieb), der aber in der Filiale von Hertz in der Innenstadt von Puerto Montt steht. Wir erklären uns bereit, zunächst den Chevrolet zu nehmen und den Wagen dort noch mal zu tauschen. In der Rush Hour von Puerto Montt fitzen wir uns anhand der mitgegebenen Stadtplan-Skizze durch das komplizierte Einbahnstraßengewirr, das durch die hügelige Lage der Stadt nicht ganz dem sonst gewohnten amerikanischen Standard entspricht. Nach kurzem Hakenschlagen finden wir das Büro unweit des Stadtzentrums. Ich bin zunächst sehr überrascht, im Büro dieselbe Frau wiederzutreffen, die mich am Flughafen bedient hat. Es ist ein wenig wie bei Hase und Igel. Aber offenbar kann nur sie Englisch sprechen und hat uns auf Grund der besseren Ortskenntnis auf der Fahrt vom Flughafen hierher spielend überholt. Hier bekommen wir nun einen Toyota Hilux 4x4WD mit einer besseren Abdeckplane (im Vergleich zu unserem Nissan in Patagonien) und mit gefälligem Inneren. Der Wagen ist noch naß von der Wäsche und ist offenbar gerade erst wieder hereingekommen. Wir laden unser Gepäck um und begeben uns auf die Suche nach einer Unterkunft, denn wir werden noch einen Tag in Puerto Montt bleiben, um morgen früh zunächst erst einmal wieder Einkaufen zu gehen.

Die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich in dem nachmittäglichen Verkehrsgewühl und bei den vielen Einbahnstraßen schwierig. Nach einem Zwischenstop an der Touristeninformation am Hafen und mehreren vergeblichen Anläufen finden wir eine einfachere Pension für 20.000,- Pesos mit einem Stellplatz für unser Auto incl. Frühstück, wo wir in zwei Doppelzimmern unterkommen. Anschließend gehen wir in die Stadt und bummeln ein wenig in den Straßen am Hafen herum. Unterwegs halten wir wieder nach einer Ferreteria Ausschau und bekommen - jetzt, wo wir wissen, wonach wir schauen und fragen müssen - auch recht schnell unser Kocherbenzin (bencina blanca). Die Benzinflaschen haben wir ja für den Flug vollständig entleeren müssen (ich wasche sie meistens auch noch mit Geschirrspülmittel aus, um mit den Flugsicherheitsleuten so wenig Ärger wie nur möglich zu bekommen). Gegen Abend suchen wir uns ein gemütliches Restaurant in der Innenstadt, bevor wir zum Schlafen unsere Herberge aufsuchen. Die erweist sich dann als recht hellhörig, so daß wir jedes Geräusch aus dem Fernsehraum und den Nachbarzimmern hören können (für die schönste Beschäftigung der Welt eher ungeeignet ;-)).

Donnerstag, 14. Februar 2002

Der früh angestrebte Supermarkt in Puerto Montt befindet sich gleich 2 Querstraßen neben unserer Pension. In dem riesigen Shopping-Center bekommen wir alles Notwendige und gegen 11:00 Uhr ist der Einkauf für die nächsten 10 Tage erledigt.

Der ursprüngliche Plan sah eigentlich vor, von hier aus zunächst an den nördlichen Umkehrpunkt unserer 14tägigen Tour zu fahren und sich dann entlang der Vulkankette wieder nach Süden auf Puerto Montt "durchzuarbeiten". Der Hintergedanke dabei war, daß der Osorno von den hier aufgereihten Vulkanen der auf Grund seiner Steilheit technisch am schwersten zu besteigendste Vulkan ist. So könnte man sich an den einfacheren Vulkanen "einsteigen", bevor man den Osorno in Angriff nimmt. Aber wiedermal ist das Wetter der ausschlaggebende Faktor. Heute morgen ist es sonnig, und der Himmel ist strahlend blau - wir scheinen nach dem Regen der letzten 2 Tage eine Schönwetterperiode erwischt zu haben und so lautet die Entscheidung, die Tour in ihrem Verlauf herumzudrehen. Wir werden doch von hier aus unmittelbar zum Osorno in Richtung Ensenada aufbrechen, um die guten Bedingungen auszunutzen.

Aus Puerto Montt heraus nehmen wir die Panamericana in Richtung Norden (eine richtige Autobahn, allerdings mit Geschwindigkeitslimit von 100 km/h, überquerende Fußgänger und Straßenverkäufer). Bevor wir die Auffahrt auf den Osorno ansteuern, fahren wir noch 10 km über Ensenada hinaus und besichtigen die Petrohue Wasserfälle südlich des Osorno. Um diese Jahreszeit führt der Petrohue-Fluß zwar nicht so viel Wasser, aber trotzdem ist es ein ganz interessanter Wasserfall, den der Fluß sich hier durch eine Basaltdecke gebrochen hat. Auf dem Weg zu den Wasserfällen queren wir schon die ersten Anzeichen von vulkanischer Aktivität - der Osorno ist ja nicht weit entfernt. Die Asphaltstraße ist mehrfach von alten, grob befahrbar gemachten Lavaflüssen und Schwemmrinnen mit Lavaasche unterbrochen, die vom Osorno herabziehen. Auch die Flora um uns herum hat sich geändert. Nach den patagonischen Schotterstraßen mit dürftigem Grasbewuchs fallen uns die überall bunt blühenden großen Pflanzen besonders auf.

Anschließend beginnen wir die Auffahrt auf den Osorno auf einer üblen Schotterstraße mit Längs- und Querrinnen sowie großen Löchern. Unser Allradler kann sich das erste Mal bewähren und tut es auch - angesichts dieser Straßenverhältnisse sind wir froh über das unerwartete Upgrade unseres Pick-up.

Gegen 14:00 Uhr sind wir oben auf 1200m an der Hütte des TESKI-Skiclubs und der CONAF-Rangerstation. Hier am Schlagbaum des Rangers ist mit Fahren erst einmal Schluß. Wir schauen uns ein wenig um und sprechen den älteren Ranger dann auf ein Permit für eine Besteigung des Osorno an. Er fragt uns kurz nach unserer Ausrüstung, alles weitere ist dann eine reine Formalität. Er trägt uns in ein dickes Buch ein, schreibt uns das Permit aus und fragt uns nach den Adressen der im Falle unseres Ablebens zu benachrichtigenden Personen. Als er sieht, wie wir unseren Pick-up entladen und vor seiner Rangerstation unsere Ausrüstung sortieren, ist er offenbar endgültig davon überzeugt, daß er es mit eingermaßen fachkundigem Publikum zu tun hat und ist anschließend sehr freundlich und gesprächig zu uns. Er zeigt uns geeignetes Terrain zum Zelten unterhalb seiner Station, wo wir Trinkwasser bekommen können und hört für uns noch einmal den Wetterbericht ab. Auch über den Verlauf des Anstieges gibt er uns bereitwillig Auskunft, soweit er von Besteigungsversuchen anderer Bergsteigergruppen in dieser Saison darüber Bescheid weiss (das stößt ein wenig auf Sprachschwierigkeiten, denn er spricht Spanisch und Französisch, aber kein Englisch). Aber soviel wird klar - morgen wird perfektes Wetter für eine Vulkanbesteigung erwartet, wenig Wind, Sonne, keine Wolken.

Nachdem wir unsere Zelte unterhalb der Rangerstation in einer Senke aufgebaut haben, sortieren wir unsere noch vom Flug her verpackten Sachen um für den morgigen Aufstieg. Um ca. 16:30 Uhr sind wir soweit mit allem fertig und unternehmen noch einen kleinen Erkundungsspaziergang in der Nähe der Rangerstation und im Hinblick darauf, sich den ersten Anstieg bis zur Bergstation der zerstörten Skilift-Trasse einzuprägen, den wir früh noch in der Dunkelheit vor Sonnenaufgang zurücklegen werden. Mit dem Fernglas erkunden wir den Firnkegel und die Gipfelregion, um uns eine mögliche Aufstiegsroute zu überlegen. Der Berg präsentiert sich den ganzen Tag in perfektem Anblick vor strahlend blauem Himmel. Gegen 18:00 Uhr ist unser Ranger und auch die letzten Tagestouristen vom Berg hinunter gefahren und wir sind nun allein mit unserem Vulkan. Früh legen wir uns schlafen, denn wir werden gegen 3:30 Uhr bereits wieder aufstehen.

Freitag, 15. Februar 2002

Letztendlich haben wir uns auf eine Weckzeit von 3:30 Uhr geeinigt. Wir sind jedoch alle drei schon mal so gegen 2:00 Uhr wach und schlafen die restlichen 1.5 Stunden nur noch leicht. Pünktlich stehen wir auf, kochen Kaffee und frühstücken. Es herrscht ein phantastischer Sternenhimmel über uns mit einer klar erkennbaren Milchstraße, wie man es bei uns fast nie zu sehen bekommt. Im Tal sieht man die Lichter von Ensenada. Um 4:40 Uhr sind wir abmarschbereit und steigen im Licht unserer Stirnlampen die Fahrstraße (den Schotterweg) zur Bergstation des kaputten Sessellifts hinauf. Ein anderer Weg ist auch schwer einzuschlagen, da man im Licht der Stirnlampen auf der schwarzen Lavaschlacke kaum etwas anderes erkennen kann, vor allem keine nur schwach ausgeprägten Steigspuren.

Wir sind im Aufstieg ziemlich fix und haben nach einer reichlichen Stunde (1:20 h) bereits die Baustelle des Teski-Clubs für eine Bergstation eines neuen Sessellifts erreicht (465 Hm von der Rangerstation auf 1200m aus). Von hier wird die Wegfindung richtig schwierig, da es noch sehr dunkel ist. Ein Weiterweg ist nicht erkennbar, und so orientieren wir uns auf einen gegen den Himmel sich abzeichnenden Kamm oder Rücken zu, der die Randmoräne eines Gletschers bildet. Oben auf dem Kamm finden wir ein Gedenkkreuz und auch wieder einen Weg, der aber an einem steilen Firnfeld endet. Wir legen hier die Steigeisen an und steigen das Firnfeld hinauf. Im oberen Teil geht es in etwas heikler Querung wieder in den Hang aus Lavaschlacke über, und wir orientieren uns weiter nach links aufwärts. Nach 50m erreichen wir hier den eigentlich richtigen Weg für den Aufstieg. Ohne die Steigeisen erst noch einmal abzulegen, steigen wir in der losen Schlacke weiter bis zum Beginn des Gletschers auf ca. 2000m. Seit der Stelle, wo wir den Weg wiedergefunden haben, ist die Dämmerung so weit fortgeschritten, daß wir ohne die Stirnlampen weitergehen können.

Hier am Gletscherrand legen wir die Klettergurte an, gehen jedoch vorerst noch ohne Seil, da die wenigen Spalten gut sichtbar sind. Die Spalten sind z.T. bis zu 5m breit und unergründlich tief (wie sich das für richtige Gletscherspalten auch so gehört). Nach wiederum kurzer Zeit erreichen wir die roten Felsen- oder Schlackeflecken, die sich in diesem Sommer in der Bergflanke gebildet haben, da der Gletscher oder Firn an dieser Stelle bis auf die Felsen abgetaut ist. Der Ranger und andere Chilenen äußerten die Befürchtung, daß sich diese Stellen in den nächsten Jahren immer weiter vergrößern könnten und die schöne ebenmäßige Silhouette des Osorno zerstören könnten. Zwischen den beiden Felsenflecken aus roter Schlacke hat sich ein Blankeisfeld gebildet, vor dem uns der Ranger ausdrücklich gewarnt hat - wahrscheinlich wegen des hier am Nachmittag einsetzenden Steinschlags und der schwierigeren Begehbarkeit, wenn sich wirklich hart gefrorenes Wassereis bildet. Auf der Höhe dieser Felsenflecken beginnt der eigentliche Gipfelkonus des Osorno, dessen Steilheit zum Gipfel hin nochmals deutlich zulegt.

Zunächst über ebenen Firn, dann über eine ehemalige Spaltenzone mit Brüchen erreichen erreichen wir in steilem Gelände ca. 2300m Höhe. Hier ist für Kerstin das Limit erreicht, und es geht erstmal nicht weiter. Wir sichern Kerstin an Eisschrauben zurück bis an den oberen Rand der Felsen, von wo sie alleine vorsichtig in flacheres und sicheres Gelände absteigt. Diese Aktion kostet uns bestimmt eine wertvolle Stunde Zeit. Jörg und ich beschließen, den Aufstieg trotzdem nochmals zu versuchen. Zu zweit kommen wir zunächst schnell und gut voran, wenngleich Jörgs antike Steigeisen für dieses steile Gelände alles andere als ideal sind. Aber offenbar haben wir uns bisher zu wenig Zeit für Pausen und zum Essen gelassen, was sich nun rächt. Jedenfalls bekommt Jörg Probleme, die auf einen übergangenen Hunger hindeuten. Ich steige ihm zu schnell, und er sieht konditionsmäßig nicht besonders gut aus, was ich sonst gar nicht von ihm kenne. Gegen 12:30 / 1:00 Uhr erreichen wir auf 2565m Höhe den unteren Rand des Gipfelaufbaus - ein System aus Bruch, Wächten und Bergschründen - und halten ziemlich weit auf der linken Bergseite an einer ca. 3m breiten Spalte an. Bis hierher haben wir alle größeren Spalten gut umgehen können. Der Weiterweg hier ist jedoch nicht ganz klar. Ich tendiere zwischen einem Versuch noch weiter links (mit Überquerung der Spalte) und einem Versuch im steileren Gelände direkt über uns am rechten Rand dieser Spalte. Hinzu kommt, daß nun die Sonne um den Osorno herum ist und seit ca. 1 Stunde in unseren Hang hineinscheint und den Firn an der Oberfläche aufweicht. Auch würde uns das mehr als 45-50 Grad steile Gelände über uns zu Sicherungsmaßnahmen zwingen (Sicherung an Eisschrauben), da für Jörg und mich hier das Limit erreicht ist, wo wir uns zutrauen, ohne zusätzliche Sicherung weiterzusteigen. Das würde unseren Aufstieg verzögern und im Abstieg hätten wir es dann mit noch stärker aufgeweichter Gletscheroberfläche zu tun, was uns eventl. dann auch im weiteren Abstieg zur Sicherung zwingt. Auch geht es Jörg heute wirklich nicht sehr gut und so beschließen wir nach einigem Zögern, an dieser Stelle unseren Besteigungsversuch abzubrechen und beginnen mit dem Abstieg.

Gegen 13:30 Uhr haben wir Kerstin an ihrem Refugium in den Felsen wieder erreicht. Dort hatten wir beim Aufstieg auch ein Depot bestehend aus unseren Stöcken und meinen "Zweitbergschuhen" angelegt. Bei den Verhältnissen am Berg war es zwingend notwendig, meine neuen Bergschuhe zu benutzen. Meine Füße hatten dieses Mal überhaupt nichts dagegen einzuwenden, ich hatte keinerlei Probleme. Nach einer ausgiebigeren Essensrast steigen wir weiter ab bis zur Rangerstation auf 1200m. Der Abstieg in der Sonnenhitze auf der schwarzen Schlacke erfordert auch nochmal eine Menge Kraft und Ausdauer. Langsam geht uns auch das Wasser aus. Gegen 16:00 Uhr sind wir zurück am Auto und zunächst einmal ziemlich durstig. Wir trinken jeder einen Liter und erstatten dem Ranger Bericht.

Trotz gewisser Ermüdung beschließen wir, noch am nachmittag den Berg zu verlassen und am See Lanquihue zu zelten. Wir brechen die Zelte ab, werfen alles mehr oder weniger unsortiert auf den Pick-up. und fahren los.

Den See umfahren wir in Richtung Osorno und Puerto Octay (entgegen dem Uhrzeigersinn; in der anderen Richtung wären wir vielleicht eher auf einen schönen Campingplatz gestoßen). Obwohl auf der Karte nur ein kurzes Stück, zieht sich die Schotterstraße um den See ziemlich in die Länge. Nachdem wir zwei Campingplätze wegen ihrer spartanischen Ausstattung zunächst ausgeschlagen haben, sind wir gegen 18:00 Uhr letztlich gezwungen, einen noch ärmlicheren Campingplatz wenige Kilometer vor Puerto Octay zu akzeptieren. Hier weht vom See her ein so starker Wind, wie wir ihn zuletzt in Patagonien hatten. Er bauscht auf dem See mit seinen fast 100 km Durchmesser die Wellen zu einer stattlichen Brandung auf, wie bei uns auf der Ostsee. Aber zumindestens können wir uns den Vulkanstaub bei einem Bad im See abspülen. Das Kochen und Essen wird bei diesem Wind allerdings nochmals zu einer Herausforderung, und wir verschieben den Rotwein auf morgen. Kerstin weht der Wind beim Austeilen den Kartoffelbrei vom Löffel. Wegen des unangenehm kalten Windes und der Anstrengungen des Tages geht es früh schlafen.

Höhenmeter : 1455 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 11:00 h

Samstag, 16. Februar 2002

Der Wind hat sich über Nacht vollständig gelegt, und der See präsentiert sich früh vollkommen unschuldig. Baden, Frühstück und Aufbruch. Der Tag wird ein Fahrtag auf der Panamericana, die wir bei Osorno erreichen und die uns zum Villarica (Vulkan und gleichnamiger Ort) führt. Über weite Strecken präsentiert sich die Panamericana heute als moderne Autobahn (wenn auch mit fliegenden Händlern am Straßenrand, die Fahrbahn überquerenden Fußgängern und auf dem Randstreifen entgegenkommenden Radfahrern). Nur dort, wo die Autobahn noch im Bau ist und die Panamericana noch auf der alten Straße quer durch die Ortschaften verläuft, kann man noch etwas vom ursprünglichen Charakter dieser Transamerika-Straße sehen, ist dafür aber auch deutlich langsamer unterwegs. Gegen 14:30 Uhr belegen wir einen ziemlich teuren aber auch gut ausgestatteten Campingplatz am Villarica-See (gut ausgestattet bedeutet: mit Glühbirne, neben den üblichen Tischen ein Dach, Essensregal und zugeteiltem Müllbeutel). Der Rest des Tages vergeht mit Baden im See, Sachen und Ausrüstung sortieren, Buch lesen, Tagebuch schreiben, Spaghetti kochen und Rotwein trinken und anderen angenehmen Beschäftigungen. Wir ruhen uns aus für unseren nächsten Vulkan, den wir vom Seeufer aus schon mal bewundern können.

Sonntag, 17. Februar 2002

Gestern noch sonnig, beginnt der heutige Tag trübe und bewölkt. Der Gipfel des Villarica (2835m) ist in Wolken. Man ist sich zunächst unschlüssig, was mit diesem nicht so schönen Tag anzufangen ist. Des Weiteren ist unklar, wie die momentanen Besteigungsmodalitäten für den Villarica geregelt sind und woher man die nötigen Wetterinformationen bekommen soll. Wir entschließen uns schließlich zu einer Erkundungstour an den Villarica.

Die Auffahrt auf den Vulkan ist im oberen Teil ähnlich ruppig vom Straßenzustand her wie am Osorno und ausreichend mit kurzwelligen Querrillen versehen. Patagoniens Straßen waren besser (und wurden auch mehrmals die Woche mit dem Grabenpflug "gepflegt"). Das Skigebiet am Villarica ist im Vergleich mit dem am Osorno riesig. Ein Lift reiht sich an den anderen - nur funktionieren tut im Sommer hier nichts. Der einzige betriebene Sessellift dient als exklusive Aufstiegshilfe für die Kundschaft der Adventure-Touristikunternehmen aus Villarica und Pucon, die für eine Besteigung des Villarica so um die 20.000 chilenische Pesos verlangen. Wir observieren den Vulkan mit dem Fernglas, soweit es die tiefliegende Wolkendecke erlaubt. Die Aufstiegsroute bis zum Firnfeld ist in dem schwarzen Vulkangestein nur schwer erkennbar. Auch das Gespräch mit einem Arbeiter an der Cafeteria des Skigebietes bringt wenig Erkenntniszuwachs. Die Rangerstation auf halbem Wege hier herauf war bei unserer Vorbeifahrt am Morgen unbesetzt (es hieß, der Ranger hätte einen Todesfall in der Familie), Nationalpark-Eintritt wollte niemand von uns haben. Unter dem Strich ist uns ziemlich unklar, an welcher Stelle und auf welche Weise die Kontrolle über die Bergbesteigungen hier am Villarica ausgeübt werden soll. In Reiseführern und in Berichten im Internet ist aber ausdrücklich davon die Rede, daß die örtlichen Authorities darauf achten, daß dieser Vulkan doch eher den Touristikveranstaltern vorbehalten bleibt und es sehr schwer sein soll, sich ein Permit für eine ungeführte Besteigung zu besorgen. Uns bleibt die Sache etwas mystisch. Wir haben aber zumindest eine grobe Vorstellung von den örtlichen Verhältnissen bekommen.

Anschließend fahren wir zu den Cuevas Vulcanicos (Vulkan-Höhlen) und schließen uns einer englischsprachigen Führung an (nicht ganz preiswert für 6000,- Pesos pro Person). Nach einer gut gestalteten Einführung über Vulkanismus als solchen führt uns der Guide in die insgesamt 370 m lange Lavaröhre. Bizarr geformte Wände des Lavatunnels, zwei weitere darüber und darunter liegende Röhren, Lavablasen von ca. 1m Durchmesser - insgesamt ein interessanter Besuch. Gegen nachmittag suchen wir uns einen neuen Campingplatz für die kommenden zwei Übernachtungen und entscheiden uns für einen Waldcampingplatz an der Straßenauffahrt zum Villarica. Zu unserer großen Überraschung enthält das von außen triste, verstaubte und unscheinbare Anwesen geradezu vorbildliche sanitäre Einrichtungen, Stellplätze mit Zeltling und elektrischem Licht und einer Fata Morgana gleich eine Liegewiese mit Swimming Pool inklusive künstlichem Wasserfall.

Trotz aller Unwägbarkeiten entscheiden wir uns für morgen für einen Besteigungsversuch des Villarica, da nach mehreren Quellen morgen schönes Wetter werden soll. Die Weckzeit wird auf 4:30 Uhr festgelegt, damit wir bei Inbetriebnahme des Sesselliftes um 8:00 Uhr die Bergstation bereits hinter uns gelassen haben. So hoffen wir, eventl. Kontrollversuchen schon im Ansatz ein Schnippchen zu schlagen. Sind wir erst mal auf halbem Wege auf dem Berg, wird uns niemand mehr aufhalten...

Montag, 18. Februar 2002

Der Wecker klingelt pünktlich um 4:30 Uhr. Ein Blick aus dem Zelt zeigt eine sternenklare Nacht und einen freien Villaricagipfel. Nach ca. 1 Stunde starten wir mit dem Auto Richtung Skizentrum (1470m), wo wir nach 45 Minuten noch in der Dunkelheit ankommen. Mit Stirnlampen beginnen wir den Aufstieg unter der Trasse des Sesselliftes. Weiter oben wühlen wir uns im Schotter einer Abfahrtsloipe rechts des Liftes nach oben. Überall liegt eine dicke Schicht loser Vulkanasche/-schlacke. Gegen 7:30 Uhr erreichen wir nach 415 Hm die Bergstation des Liftes auf 1900m Höhe. Unten an der Talstation der Sessellifte tut sich um diese Zeit noch gar nichts.

Wir steigen zügig weiter in Richtung eines großen roten dreieckigen Felsens und der zerstörten Bergstation einer ehemaligen Kabinenbahn. Wenig weiter oben beginnt das erste Schneefeld, und wir legen hier die Steigeisen an. Seil und Klettergurte haben wir heute gar nicht erst mitgenommen, da es auf dieser Seite des Villarica keine Spalten gibt. Mittlerweile zeigt sich auch an der Talstation erste Aktivität, und es treffen mehrere Tourbusse ein. Auf dem großen Firnfeld angekommen, finden wir die deutlich erkennbare Spur der geführten Touren, die sich im oberen Teil des Aufstieges auf der rechten Seite einer schwarzen Felsenrippe hält (oberhalb der großen Eisenstange, die auf einem vorspringenden Buckel den Aufstiegsweg markiert; am späteren Nachmittag beobachten wir jedoch auch einige der "Lindwürmer", die den Weg links dieser Felsenrippe nehmen). Am oberen Ende der Felsenrippe angekommen, endet hier das Firnfeld und die erste der geführten Truppen hat uns dank Liftunterstützung eingeholt. Der Bergführer begrüßt uns freundlich, fragt uns ob wir Deutsche sind und zeigt uns den Weiterweg nach oben durch die Lavafelsen. Der Weg verliert sich hier ein wenig in -zig Varianten quer durch das wüst aufgetürmte Lavagestein. Wir folgen auf den letzten 100 Hm dem Bergführer mit seiner 8-köpfigen Truppe und stehen bald am Rand des rauchenden Kraters auf 2835m Höhe, an dessen Rand sich noch Schneereste befinden. Der Bergführer hat für seine Truppe eine Flasche Rotwein entkorkt und ohne großen Kommentar drückt er jedem von uns einen Becher in die Hand, stößt mit uns auf unseren Gipfelsieg an und macht dazu seine Späße. Wir sind beeindruckt - so manche Bergführer in den Alpen können sich hier im Umgang mit nicht zahlender Clientel (die aber ihr Handwerk versteht) noch eine Scheibe abschneiden.

Für den gesamten Aufstieg haben wir 5:30 Stunden benötigt. Wir halten uns längere Zeit am Gipfel auf und machen Fotos. Aus dem Krater steigt ständig eine dichte Rauchwolke, die vom Wind mal auf die eine und mal auf die andere Seite des Kraterrandes gedrückt wird. Wir versuchen, auf dem Kraterrand möglichst weit um den Krater herumzulaufen, ohne zu weit in den Bereich der toxischen Gase zu gelangen. Manchmal erlaubt der Wind Tiefblicke in den Krater, wenn der Rauch mal vom Wind zerteilt wird. Beim Betrachten der Bilder zu Hause bin ich dann aufs äußerste überrascht, mit welchen intensiven Gelb- und Brauntönen der Kraterrand gefärbt ist. Ich hatte hier oben meine braun getönte Gletscherbrille nicht abgenommen und die hatte diese Farbtöne vollkommen absorbiert. Leider ist das Niveau der Vulkanaktivität in diesem Jahr so niedrig, daß man von der rotglühenden Lava nichts sehen kann, die hier in manchen Jahren bis wenige Meter unter dem Kraterrand steht.

Kurz nach mittag zieht das Wetter am Gipfel zu, und wir steigen ab. Der Abstieg über die Firnfelder wird hier am Villarica ökonomisch per Schneerinnen und Rutschen auf dem Allerwertesten erledigt, wobei man je nach Körperhaltung beträchtliche Geschwindigkeiten erreichen kann. Insgesamt drei Rinnen ermöglichen einen Express-Abstieg über 500 Hm bis zum unteren Rand der Firnfelder, und das in unglaublich kurzer Zeit. Wir benötigen dafür keine Stunde. Die erste Rinne ist rennrodelmäßig stellenweise bis zu 1,50 m tief in den Schnee eingegraben, die unteren Rinnen sind flacher. Immer wieder muß man beim Rutschen auf Lavabrocken achten, die in der Rinne im Weg liegen. Jörg büßt dabei seine Überhose ein. Die letzte Rinne ist zudem nicht ganz ungefährlich, da es des Pickeleinsatzes bedarf, um die Rutschpartie nicht in den Lavafelsen unterhalb der Firnfelder zu beenden.

Weiter geht es mit der Abfahrt im lockeren Lavakies bis hinunter zum Standplatz unseres Autos an der Cafeteria. Nach insgesamt 10 Stunden sind wir wieder unten. Wir fahren zum Zeltplatz, duschen, trinken ein dringend benötigtes Bier, entstauben unsere Klamotten und baden im Pool. Um 20:00 Uhr fahren wir nach Pucon und essen in einem angenehmen Restaurant zu Abend (Forelle, Lachs in Olivenöl mit Knoblauch und Rindersteak mit Knoblauch). Die Knoblauchportionen von Jörg und mir erweisen sich für Kerstin später im Zelt fast als Überdosis. Auch die Peperoni im Ensalada Chilena haben es in sich. Mit Rücksicht auf den Fahrer trinken wir unsere Flasche chilenischen Rotwein, nachdem wir wieder auf unserem Zeltplatz angekommen sind.

Höhenmeter : 1390 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 10:00 h

Dienstag, 19. Februar 2002

Heute steht die Weiterfahrt zum Conguillo Nationalpark auf der Tagesordnung, der sich rund um den Vulkan Llaima (3125m) erstreckt. Wir kaufen in Villarica nochmals ein, wenngleich uns die rauhe Schotterpiste und die Hitze einen Großteil des frisch gekauften Obstes wieder zerstört. Die Fahrt verläuft größtenteils über Schotterpiste über Los Laureles und Melipeuco bis zum südlichen Parkeingang. Auf dem Zeltplatz im Conguillo Nationalpark angekommen, erwartet uns auf der Ladefläche unseres Pick-up eine böse Überraschung. Die Joghurt-Becher hatten sich durch das Geschüttel z.T. gegenseitig aufgeschnitten. Die Äpfel sind wie gekocht - Apfelmus in der eigenen Schale. Auch Pfirsiche und Pflaumen überleben diese Fahrt nur stark in Mitleidenschaft gezogen und sind z.T. nur noch Mus und Matsch. 3-4 Tomaten müssen auch sofort notgeschlachtet werden. Es ist schwierig, unter diesen Bedingungen etwas Frisches zu transportieren. Nur Gurken und Zwiebeln sind gegen die Rüttelei auf den Straßen resistent.

Der Conguillo Nationalpark, in dem wir die nächsten Tage verbringen, ist einerseits vom Llaima und großen schwarzen Lavafeldern vom letzten Ausbruch des Llaima von 1954 geprägt, andererseits aber auch durch große und recht alte Araukarienwälder. Wir kommen am Lago Conguillo auf dem Nirres-Campingplatz unter, der für chilenische Nationalpark-Verhältnisse einen guten Standard hat (schön aufgeteilte Camping-Sites und warme Duschen). Wir baden im ziemlich kalten Conguillo-See mit Blick auf die noch schneebedeckte Sierra Nevada und besuchen nachmittags noch das schön gestaltete Nationalpark-Informationszentrum.

Mittwoch, 20. Februar 2002

Heute haben wir uns im Conguillo Nationalpark den Trail auf die Sierra Nevada vorgenommen. Wegen der Tageshitze von 30 Grad und mehr hält sich unser Elan in Grenzen. Die Besteigung des Llaima ist wegen der brütenden Hitze über den schwarzen Vulkanschlacke-Feldern sehr schnell gestrichen. So viel Wasser, wie man für einen solchen Aufstieg benötigen würde, könnte man überhaupt nicht tragen.

Der Weg, den wir uns als Ersatzprogramm ausgesucht haben, entpuppt sich als sehr schöner Waldweg mit Aussichtspunkten durch einen Mischwald aus alten Lenga-Bäumen (Bergbuche), Coigüe-Bäumen und oberhalb von 1400m Araukarien in großer Anzahl. Das Unterholz wird gebildet von Lenga-Gestrüpp und einem 4-5m hohen Bambusgras mit bis zu 3-4cm dicken Stengeln. Die Bäume sind z.T. sehr alt und stattlich, die Stämme sind manchmal bis zu 1,5m stark. Auch die Araukarien sind z.T. riesig groß. Derartige Exemplare gibt es in Europa nicht zu sehen, obwohl Araukarien ja auch bei uns als Vorgarten-Baum immer mehr in Mode kommen. Wir bestaunen die vielen Araukarien in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien, finden auch Araukarien-Kerne unter einem Baum und verkosten sie auch - sie schmecken ein wenig wie Para-Nüsse. Unterwegs bieten sich schöne Aussichten auf die Sierra Nevada, den Lago Conguillo und die Vulkane Llaima und Villarica (letzterer ist ja ca. 50-60km Luftlinie entfernt). Auf Grund der Höhe des Höhenzuges der Sierra Nevada halten sich hier oben auch die Tagestemperaturen in erträglichen Grenzen. Nachmittag - wieder zurück am Campingplatz - baden wir nochmal im kalten Conguillo-See, schreiben Ansichtskarten an unsere Freunde in Deutschland und genießen unseren langsam aber unwiderruflich ausklingenden Urlaub.

Höhenmeter : 525 Hm im Auf- und Abstieg

Gehzeit : 5:15 h

Donnerstag, 21. Februar 2002

Wir verlassen früh den Conguillo-Nationalpark, schauen uns jedoch vorher noch den größten Araukarien-Baum an, der in der Nähe des Informationszentrums mitten im Wald steht. Es ist ein Weg von 40 Minuten durch ähnlich schönen Wald wie gestern. Überall sehr alte Bäume und wieder viel von dem hohen Bambusgras. Die Madre Araukaria (Mutter der Araukarien) ist wirklich ein würdevoller alter Baum mit grob vermessenen 6-7m Stammumfang und somit 2-2,5m Durchmesser. Nur fotografieren kann man solche altehrwürdigen Bäume meistens nicht - das kennen wir schon aus den Redwood-Wäldern Kaliforniens.

Unser nächstes Ziel ist eigentlich der Vulkan Lonquimay und so nehmen wir zunächst über Curacautin den gleichnahmigen Ort als Ziel. Wir fahren dazu durch den Los Raices Eisenbahntunnel, der zum Einbahn-Autotunnel umfunktioniert ist. Es ist eine recht rustikale Tunnelpassage - an manchen Stellen kommt viel Wasser von der Tunneldecke, die Fahrbahn besteht aus Fels und mit Schotter überdeckten Eisenbahngleisen, und ein unbeleuchteter Tunnel ist auch ziemlich dunkel. Ein europäischer TÜV hätte ware Freude an dieser Anlage...

Der Ort Lonquimay erweist sich als verschlafenes Nest in der Nähe der argentinischen Grenze, von dem aus man den Vulkan nicht einmal sehen kann. Der einzige Campingplatz ist mitten im städtischen Schwimmbad auf einer sonnendurchglühten Wiese. Die Hitze lähmt sämtliche Aktivität. Bei dieser Wärme haben wir eigentlich keine Lust mehr auf einen weiteren Vulkan. Der Anblick des Lonquimay ist wenig verlockend, da die Vulkanflanken kaum noch schnee aufweisen (eine frühere Jahreszeit scheint hier dringend angeraten - wir sind wohl zu spät im Jahr dran). So fahren wir zurück und übernachten auf einem Campingplatz in Manzanar (die Thermas de Manzanar sind in eine Hotelanlage integriert und eher ein Ulk - ein 45 Grad heißes Schwimmbecken). Von unterwegs haben wir nochmal einen Ausblick auf den Lonquimay, der so ganz ohne Schnee ziemlich trostlos und schwarz in der Landschaft rumsteht. Wir werden wohl morgen um einen Tag verfrüht die Rückfahrt nach Puerto Montt antreten, denn in dieser Gegend haben wir wohl alle Attraktionen gesehen.

Freitag, 22. Februar 2002

Nach Studium des Reiseführers entschließen wir uns zu einem Abstecher nach Valdivia. Wir kommen zum frühen Nachmittag in der Stadt an. Der innerstädtische Campingplatz ist alles andere als eine Erfüllung, aber wir benötigen ihn ja auch nur zum Schlafen. Wir ziehen in die Stadt, Bummeln über die Märkte und durch die Straßen, trinken Kaffee mit süßem Kuchen, unternehmen eine Bootsfahrt um die Insel Teja und essen abends in einem netten Restaurant guten Fisch.

Samstag, 23. Februar 2002

Der Tag beginnt mit Lagerabbau und dem Besuch des Fisch- und Obstmarktes von Valdivia, der nur früh abgehalten wird. Die Stadt hat ansonsten wenig zu bieten. Wir fahren noch entlang des Flusses bis zu dessen Mündung in den Pazifik beim Ort Niebla, wo sich die Reste eines Forts von 1552 befinden. Es ist eine von drei größeren Befestigungsanlagen neben weiteren Kanonenbatterien, die zur Verteidigung des Hafens von Valdivia entlang der Flussufer und auf den Inseln im Fluß angelegt wurden. Von der Anlage ist jedoch ebenfalls nur noch wenig vorhanden und auch einige Kanonen scheinen Repliken zu sein - sie haben kein Zündloch und bestehen aus zwei zusammengefügten Hälften, was für mit Schwarzpulver betriebene Vorderlader mehr als ungewöhnlich ist. Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Weg nach Puerto Varas und finden am Lanquihue-See einen schönen Campingplatz im Uferwald mit Strand. Wir baden nochmal im See mit herrlichem Blick auf den Osorno. Hier weiter im Süden sind übrigens auch die Tagestemperaturen wieder deutlich frischer, die Temperatur des Sees läßt Baden gerade so zu. Vielleicht hätten wir unsere Urlaubsroute eher in den Süden von Puerto Montt und in Richtung der Carretera Austral ausdehnen sollen, um von diesen angenehmen Temperaturen mehr profitieren zu können. Aber hinterher ist man halt häufig schlauer.

Am Abend gingen wir nochmal in Puerto Varas essen. Vorm Restaurantbesuch noch ein kurzer Stadtrundgang, bei dem wir kurz nach einer Hochzeit die große Kirche von Puerto Varas besichtigen, die einer Kirche aus dem Schwarzwald ziemlich originalgetreu nachgebildet ist - das Werk deutscher Einwanderer, die sich hier in Puerto Varas in großer Zahl niedergelassen hatten. Die Gaststätte unserer Wahl war ein guter Treffer. Es ist hauptsächlich eine Fischgaststätte, in der außergewöhnlich viele Tische schon am frühen Abend voll belegt sind. Chilenen stehen früh kaum vor 9:00 Uhr auf. Somit hinkt ihr Tagesrhythmus dem unseren ca. 2 Stunden hinterher, und vor 21:00 Uhr ist selten ein Chilene in einem Restaurant anzutreffen. Es stellt sich auch heraus, daß das Restaurant überwiegend mit deutschen Urlaubern so zeitig am Abend gefüllt war. Der Lachs war dann auch sehr gut, und wir hatten einen phantastisch schmeckenden Rotwein mit Namen Caliterra (haben wir übrigens in Deutschland dann in der Feinkostetage von Kaufhof wiederentdeckt und er schmeckte noch genauso gut). Morgen fahren wir nach Puerto Montt zurück, und dann ist der Urlaub auch schon fast vorbei.

Sonnstag, 24. Februar 2002

Am Morgen haben wir uns mit dem Einräumen und Zusammenpacken Zeit gelassen, um die Zelte in einigermaßen trockenem Zustand eingepackt zu bekommen. Voraussichtlich war das unsere letzte Zeltübernachtung in Chile, und die Zelte können dann erst Tage später in Deutschland wieder ausgepackt werden. Gegen 12:00 Uhr sind wir dann die knapp 20 km auf einer neu gebauten Direktverbindung (die nicht in unserer Straßenkarte enthalten ist) nach Puerto Montt gefahren. Auf der Fahrt haben wir an der Straße viele gelegte Brände gesehen. Das scheint die normale Methode zu sein, nach der Ernte die Felder zu beräumen und Feldraine vom überwuchernden Gestrüpp frei zu halten. Dabei brennt manchmal offensichtlich auch etwas mehr ab, als ursprünglich beabsichtigt, wie man an den ausrückenden Feuerwehren sieht. Aber so richtig scheint das niemanden zu stören. Die Brände in der Umgebung von Puerto Montt sind so zahlreich, daß es selbst in der Stadt nach Rauch riecht.

In der vorreservierten Lodge haben wir unter einem Vordach genügend Platz, um das Gepäck flugfertig zu machen. Alles muss aus dem Pick-up ausgeladen, sortiert und letztendlich in Rucksäcken und unseren Transporttonnen verstaut werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt wie immer unseren Benzinkochern - wir wollen ja keinen Ärger bekommen.

Nachmittags schlendern wir durch die Stadt und schlagen den Rest der Zeit tot. Viele Attraktionen hat auch Puerto Montt nicht, aber wir vertreiben uns die Zeit mit der Beobachtung des Straßenlebens. Kaffee trinken im Cafe Dresden, Abendessen im Sherlock und eine letzte gute Flasche chilenischen Rotweins bei Dinos. Dazwischen chilenisches Geld zurücktauschen (obwohl der Euro gerademal 2 Monate alt ist, erstehen wir sogar 145,-EUR) und kleines Shopping. Wir erstehen z.B. unseren Jahresbedarf an Trinkpulver - Zuco, das in mindestens 25 verschiedenen Geschmacksrichtungen zu haben ist. In Deutschland kennen wir nur 2-3 trinkbare Sorten. Viel Platz haben wir sowieso nicht. Anfangs denken wir, dass die Stadt wie ausgestorben ist, aber gegen 17:00 Uhr füllen sich die Straßen mit Leben, und auch die Schausteller und Straßenmusikanten beziehen Stellung. Allerdings verschlechtert sich das Wetter über den ganzen Tag kontinuierlich. Im stärker werdenden Nieselregen erreichen wir abends wieder die Lodge. In der Nacht entwickelt sich der Nieselregen dann zu einem Sturm mit starkem Regen - das scheint sich ja zur Tradition an unseren Flugtagen zu entwickeln...

Montag, 25. Februar 2002

Wir stehen früh um 6:15 Uhr auf und essen das vorbereitete Frühstück. Das Auto beladen wir im strömenden Regen. In der Plane des Pick-up stehen wieder gut 10-15 cm Wasser. Im heftigen Regen fahren wir zum Flughafen, der zu dieser frühen Stunde noch ziemlich ausgestorben ist - der Schalter von Hertz ist zunächst noch unbesetzt. Also ziehen wir uns erstmal trockene Sachen an und checken anschließend unser Gepäck ein. Weil der Transatlantikflug mit Iberia absolviert wird, müssen wir unser Gepäck in Santiago de Chile nochmals selbst in die Hand nehmen. Auch eine der Tonnen müssen wir öffnen, um den Inhalt vorzuzeigen. Dann geben wir unser gutes Auto ab, was völlig problemlos funktioniert. Auch hier in Mittelchile sind wir von Pannen, Reifenschäden und Glasbruch verschont geblieben. Mit dem Toyota Hilux sind wir auf der zweiten Etappe unserer Tour hier in Mittelchile 1506 km gefahren. Dann gehen wir zum Boarding und ab geht's nach Santiago.

Auf dem Flug haben wir ungefähr ab Temuco gute Sicht auf die Kordillere, bis der Pilot in den Smog und Dunst von Santiago eintaucht (eine bräunliche Wolke liegt über der Großstadt, und die Sicht zu den Bergen ist schlagartig weg). Fotografieren kann ich auf dem Flug nicht mehr, da meine Kamera beim Einpacken ihren letzten Seufzer getan hat. In Santiago bewältigen wir den Umstieg zügig, auch wenn die Wirkung der Priority-Schilder an unserem Gepäck eine rein psychologische ist. Wir bekommen am Gepäcklaufband unsere Tonnen fast als letzte. Sie sind nach diesem Flug übrigens wieder eckig, was uns aber nicht mehr so erschreckt, wie beim ersten Mal am Villarica.

Dann starten wir mit einem Airbus A340-300 der Iberia und haben trotz Mittelreihenplätzen nochmal gute Sicht auf die Andenkette und einen sehr hohen Berg, den wir für den Aconcagua halten. Da wir die Kordillere noch im Steigflug überqueren, ist für uns Aufstehen und am Fenster fotografieren unmöglich. Der Service bei Iberia ist dann auf dem Flug erwarteter Maßen wieder schlecht. Kein Mensch bringt etwas zu trinken vorbei. Aber wir sind lernfähig, und hatten schon zu Beginn des Fluges Trinkbares am Sitzplatz gebunkert. Einen Film zeigen sie beinahe doppelt, ohne daß jemandem von der Crew etwas auffällt und die im Bordmagazin angegebenen Musiksender stimmen natürlich auch nicht mit der gespielten Musik überein. Weiter gehts dann von Madrid nach Frankfurt/Main und mit dem Mietwagen von Sixt nach Hause nach Chemnitz. Dabei haben wir in Frankfurt ernste Schwierigkeiten, uns und unser Gepäck in den generös bereitgestellten Mercedes-C-Klasse-"Kombi" zu bekommen (ich hatte ausdrücklich einen großen Kombi reserviert). In Madrid waren bei unserer Ankunft schon nur 0 Grad. Vorgestern haben wir noch am Osorno im Lago Lanquihue gebadet. Daran merken wir wohl, daß unser schöner Urlaub vorbei ist. Der Winter in Deutschland hat uns wieder.

Für die Statistikfreaks :

Insgesamt wurden von uns während dieser Tour 7460 Hm im Aufstieg (und etwa gleich viel Hm im Abstieg) zurückgelegt. Die Angaben über Höhenmeter enthalten jeweils nur die aufwärts gestiegenen Höhenmeter (sofern nicht anders vermerkt). Die gestiegenen Höhenmeter wurden mit einer Avocet Vertech Alpin ermittelt und mit der Karte abgeglichen. Die angegebenen Gehzeiten sind die von uns benötigten Zeiten inclusive aller von uns eingelegter Pausen.

Mit den beiden Pick-up's haben wir in 4 Wochen im chilenischen und argentinischen Patagonien 2305 km und in der mittelchilenischen Seen- und Vulkanregion 1506 km (= 3811 km insgesamt) zurückgelegt.


Neben diesem Reisebericht gibt's außerdem noch die folgenden Dokumente zur Tour :

Bildergallerie zur Tour - Part 1: Patagonien (Chile/Argentinien), Torres del Paine NP, Los Glaciares NP
Bildergallerie zur Tour - Part 2: Mittelchilenische Seen- und Vulkanregion, Osorno, Villarica, Conguillo NP
Bebilderter Tourenbericht
Tourenplan mit Anmerkungen zur Besteigung verschiedener Vulkane in Mittelchile
Preisvergleich von 9 Mietwagen-Angeboten
Liste der Ausrüstungsgegenstände (Packliste)
Inhaltsliste der Transporttonnen

Story written by Kerstin und Thomas Frank, 15. November 2002.