Eine Woche rund um den Großvenediger

Unsere Septembertour 4. - 11. September 1999

Teilnehmer

Mit von der Partie waren diesmal : Thomas Frank, Bernhard und Babett Maier, Jörg Helbig, Joachim Küttner, Yvonne Exner (alle von der DAV-Sektion Chemnitz) und Annegret Baumann (SBB Dresden).

Vorbemerkungen

Diesmal hatte Annegret im Vorfeld der Tour einen Tourenplan für den Hohen Dachstein und einen Tourenplan für das Gebiet des Großvenedigers ausgearbeitet. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns für den Großvenediger, auch wenn Annegrets Plan so nicht unverändert umgesetzt werden konnte. Der ursprüngliche Plan sah so aus :

Samstag : Anreise von Chemnitz, Aufstieg zur Bonn-Matreier-Hütte von Obermauern aus.

Sonntag : von der Bonn-Matreier-Hütte zur Johannishütte über Eisseehütte und Zopetscharte

Montag : von der Johannishütte zur Rostock-Essener-Hütte über Türmljoch

Dienstag : von der Rostock-Essener-Hütte zur Kürsinger-Hütte über Maurertörl

Mittwoch : Keeskogel oder Schlieferspitze von der Kürsinger-Hütte aus

Donnerstag : von der Kürsinger-Hütte über den Großvenediger zur Neuen Prager Hütte

Freitag : von der Neuen Prager Hütte zur Badener Hütte über Alte Prager Hütte und Lobbentörl

Samstag : von der Badener Hütte zur Bonn-Matreier-Hütte über Galgenscharte

Sonntag : Abstieg und Heimfahrt nach Chemnitz

Der Verwirklichung dieses Plans standen im wesentlichen zwei Gründe entgegen. Zum einen erschien uns allen der Anstieg am Anreisetag von ca. 1450 Höhenmetern auf die Bonn-Matreier-Hütte nach der anstrengenden Autofahrt für nicht machbar (wir "Flachländler" brauchen eine gewisse Aklimatisierung). Man musste also nach einer Hütte mit besserem Zustieg suchen. Zum anderen wurden wir von unserem Sektionschef daran erinnert, daß in diesem Jahr die Johannishütte ausgebaut wird und somit für Übernachtungen nicht zur Verfügung steht. Somit fiel die Wahl für den Aufstieg auf die Rostock-Essener-Hütte und dieTour nahm ihren Lauf.

Samstag, 4. September 1999

Wir reisen von Chemnitz an. Zu Hause war strahlender Sonnenschein, der auch bis nach Bayern und Kitzbühl anhielt. Als wir jedoch am anderen Ende des Felbertauerntunnels herauskommen, empfängt uns Nieselregen und es treibt niedrige Wolken durch die Gegend. Der Nieselregen legt sich im Prägratental ein wenig und so steigen wir (Annegret, Joachim, Bernhard, Babett und ich) bei recht schwülem Wetter von Hinterbichl/Ströden (1403m) auf zur Rostock-Essener-Hütte (2208m). Jörg erwartet uns schon auf der Hütte (er war die Woche vorher im Defereggental). Yvonne wird von Steffen ins Prägratental gebracht und stößt am späteren Abend noch auf der Hütte zu uns.

Höhenmeter : 790m

Gehzeit : 2:45 h

Sonntag, 5. September 1999

Das Wetter gibt sich unentschieden. Früh ist es kurze Zeit freundlich, zieht dann aber wieder zu. Wir entschließen uns zu einer kleinen Eingehtour auf das Rostocker Eck (2749m). Keine besonderen Herausforderungen. Zum späteren mittag sind wir wieder auf der Hütte zurück. Der Wetterbericht für morgen ist günstig und so machen wir Pläne für eine Kammüberschreitung zur Kürsinger-Hütte.

Höhenmeter : 575m

Gehzeit : 4:30 h (mit Bummeln)

Montag, 6. September 1999

Wir sind früh aufgestanden (6.00 Uhr), um den langen Übergang zur Kürsinger-Hütte frühzeitig anzugehen. Wir werden jedoch von Bernhard und Babett am Frühstückstisch mit der Nachricht überrascht, daß sie an dieser Stelle aus der gemeinsamen Tour aussteigen wollen. Als Gründe führen sie Konditionsprobleme und eine für sie unangenehme Gruppendynamik an. Das kommt für uns alle etwas unerwartet - sind wir mit den beiden doch schon so manche Tour gemeinsam gegangen - und zieht zunächst quälende Diskussionen nach sich, ob man nicht die Tour noch so abändern kann, daß sie sich damit auch anfreunden können. Dazu kommt die Frage der Aufteilung der Ausrüstung, der Heimfahrtmöglichkeiten, etc. Schließlich schließt sich Joachim den beiden an (sie gehen auf direktem Wege zum Defregger-Haus, werden den Großvenediger von Süden besteigen und steigen dann ab).

Somit verbleiben wir zu viert (Jörg, Annegret, Yvonne und ich) und starten gegen 8:00 Uhr zur Kammüberschreitung über das Maurertörl. Der Anstieg auf dem Talboden ist ein recht angenehmer, fest geschichteter Blockweg. Das starke Frühjahrshochwasser hat alles kleinere und lockere Material mitgenommen. Dann gelangen wir nach nur kurzem Anstieg auf das untere Ende des Firn-/Schneefeldes, das uns bis zum Maurertörl (3108m) führen wird. Den Aufstieg zur Scharte absolvieren wir recht zügig (vielleicht zu zügig, auch um die durch die Diskussionen verlorene Zeit wieder aufzuholen). Oben angekommen zeigen die Frauen ungebrochenen Elan und wollen noch auf den Großen Geiger (3360m). Jörg und ich fühlen uns nicht so und befürchten konditionelle Probleme oder zeitliche Bedrängnis, denn der Weg zur Kürsinger-Hütte ist noch lang und hat zum Abschluß nochmal 300 Höhenmeter im Aufstieg zur Hütte zu bieten. Während Jörg und ich warten, machen Annegret und Yvonne in 4h den Gipfel des Großen Geiger.

Wieder bei uns angekommen, machen wir uns an den zunächst problemlosen Abstieg über den westlichen Obersulzbach-Kees. Dann steigt der Weg über Fels und Geröll mit einer Klettersteigeinlage bis auf die Gletscherzunge ab. Nach dessen vorsichtiger, steigeisenfreier Querung geht es auf der anderen Seite 300m zur Kürsinger-Hütte hinauf. Wenn man den Weg von der anderen Seite versucht mit den Augen zu suchen und zu erkennen, kann man kaum glauben, daß sich in dieser steilen Geröllwand ein markierter Hüttenweg befinden kann - aber er existiert und führt uns in vielen Serpentinen zur Hütte. Recht spät und auch etwas müde kommen wir auf der Kürsinger-Hütte (2549m) an und die freundlichen Hüttenleute machen uns auch noch ein gutes Abendessen.

Höhenmeter : 1230m (ohne den Großen Geiger)

Gehzeit : 12:00 h (davon 4:00h auf Annegret+Yvonne gewartet)

Dienstag, 7. September 1999

Zum Frühstück ist es noch ganz sonnig. Doch dann zieht es zu, wird neblig und fängt sogar an zu schneien. Wir entschließen uns, den Keeskogel (3291m) als Hausberg zu besteigen. Überraschender Weise erwartet uns im oberen Teil sogar ein Kraxelgrat zum Gipfel. Nach 4 Stunden sind wir wieder etwas nässer geworden an der Hütte und genießen unseren heißen Kakao mit Strudel. Wir sind jedoch für den Rest der Woche optimistisch. Alle Wetterberichte sind gut und die Bergführer rüsten mit ihrer Klientel zum großen Angriff auf den Großvenediger.

Höhenmeter : 750m

Gehzeit : 4:00 h

Mittwoch, 8. September 1999

Heute soll der Tag sein, an dem wir den Großvenediger (3667m) besteigen wollen. Wir stehen um 5:30 Uhr auf und gehen gegen 6:30 Uhr von der Hütte los. Um die Hütte ist mäßige Sicht und eine fast durchgängige, tiefliegende Wolkendecke. Wir steigen im Fels bis an die Stelle, wo es auf den Gletscher geht (nach ca. 250 Höhenmetern). Der kleine Gletscherbruch ist harmloser, als er mir von meinem ersten Besteigungsversuch von vor 5-6 Jahren in Erinnerung ist. Dann folgt der lange Firnanstieg auf mäßig steilem Gletscher. Nach jeweils 550 und 850 Höhenmetern machen wir eine Pause - die letztere schon im Venedigersattel. Mittlerweile sind wir komplett in Wolken; Sicht ca. 50-150m. Wir haben bis hierher einen Bergführer mit seinen 4 Gästen überholt. Und als wir nun auf der weiten Fläche am Venedigersattel kurz zur Kompaßnavigation übergehen müssen, macht er ganz demonstrativ mit seiner Klientel eine längere Pause wie um uns zeigen zu wollen, wozu ein Bergführer gut ist. Wir bestimmen also die Gehrichtung im fast perfekten White-Out mit dem Kompass und stoßen nach einiger Zeit wieder auf die Fußspuren von der Prager Hütte zum Gipfel, der wir nun wieder folgen können. Nach ca. 5 Stunden Wegs sind wir am Gipfelvorplateau und warten noch ein Weilchen, bis der Grat zum Gipfel von den Bergführern mit ihren Gästen geräumt ist. Der Grat ist ca. 1/2 Meter breit, 50-60m lang und beiderseits steil abfallend. Hier von einer größeren Mannschaft Gegenverkehr zu bekommen, wäre unangenehm. Aber man kann vom Vorgipfel das Gipfelkreuz nicht sehen. Alles Warten hilft jedoch nichts. Während unserer Zeit am Gipfel des Großvenedigers herrscht mehr oder weniger totaler White-Out. Die Hoffnung, daß der Gipfel mal von Wolken freizieht, erfüllt sich nicht.

Erst als wir (mächtig durchgefroren) schon ca. eine 3/4 Stunde abgestiegen sind, reißt es plötzlich auf und das versprochene Gipfelwetter zeigt sich. Man hat sogar Fernsicht bis zu den Dolomiten im Süden. Der Gipfel ist frei und wird nur von Zeit zu Zeit von Wolken überstrichen - so ungerecht kann Wetter sein. Wir übererlegen kurz, ob wir nochmal zum Gipfel umkehren. Aber es ist schon später am Tag und wir sind schon zu weit wieder abgestiegen. Nach 8 Stunden und 1170 Höhenmetern erreichen wir das Defreggerhaus (2962m). Lager werden erst ab 16:00 Uhr vergeben und wir landen unterm Dach im Massenlager von ca. 30-40 Mann (und Frau) in Buchte 5 mit 4 Lagern (es paßt gerade für uns 4). Auch wenn die Hütte und ihre Mannschaft wegen der Überfüllung einen recht unfreundlichen Eindruck macht, schlafen wir jedoch besser, als es das Massenlager zunächst erwarten ließ.

Höhenmeter : 1170m

Gehzeit : 8:00 h

Donnerstag, 9. September 1999

Wir wollen heute über die Eisseehütte zur Sajathütte. Der Übergang führt über das Wallhorntörl (3045m). Da das Wetter von nun an strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel aufweist, gönnen wir uns noch den Aufstieg auf die Weißspitze (3300m). Der Berg besteht zwar nur aus Geröll, bietet aber eine wunderbare Aussicht (Großglockner, Granatspitzgruppe und Johannisberg, Großvenediger, Simonyspitzen, Dolomiten,...). Dann steigen wir den normalen Wanderweg zur Eisseehütte ab und folgen dem Höhenweg zur Sajathütte. Auf dem Weg zur Hütte überholen Jörg und ich noch eine Truppe Stuttgarter Schüler mit ihren Begleitern. Das Duell geht zu unseren Gunsten aus und stimmt uns ob unserer Kondition zufrieden. Die Sajathütte (2575m) entpuppt sich als urige Privathütte mit warmer Dusche (deren Schlüssel wir so zunächst in unseren Besitz bringen konnten) und sehr gemütlichem Gastraum (und ebenfalls sehr gutem Essen). Die Zimmer sehen aus wie bei den 7 Zwergen hinter den 7 Bergen. Wir genießen den schönen Abend und den tiefen Blick ins Prägratental. Gegnüber erhebt sich der mächtige Lasörling im Abendlicht.

Höhenmeter : 705m

Gehzeit : 7:00 h

Freitag, 11. September 1999

Zum frühen Morgen nehmen wir uns den Sajathütten-eigenen Klettersteig vor. Der hat die Kategorie II und führt auf die Rote Saile (2879m). Der Klettersteig ist nichts für Anfänger aber auch nicht übermäßig schwierig, da die Seile und Leitern in recht gutem Zustand sind. Nur der Fels ist recht bröselig und sandig (wir sind überrascht, in dieser von Urgestein geprägten Gegend so etwas ähnliches wie Sandstein vorzufinden). Für die 230m Höhenunterschied brauchen wir 2 Stunden (retour zur Hütte). Dann steigen wir in die Sajat-Scharte (2750m), von dort zur Johannishütte ab (2121m). Aus dem Bau-Container bekommen wir einen schönen Joghurt mit Früchten. Der Aufstieg ins Türmljoch (2790m) fällt wegen der wärmenden Sonne noch mal schwer. Oben im Joch haben wir dann auch die Truppe Stuttgarter Schüler wieder eingeholt. Nach insgesamt 9 Stunden (einschließlich Klettersteig) sind wir wieder auf der Rostock-Essener-Hütte (2208m), wo wir vom Wirt herzlich empfangen werden, der sich jedoch auch über unsere geschrumpfte Anzahl wundert.

Höhenmeter : 1175m (ca. 1300m im Abstieg)

Gehzeit : 9:00 h

Samstag, 11. September 1999

Wir überlegen am Abend vorher noch, ob wir bei dem schönen Wetter nicht doch noch die Östliche Simony Spitze anschließen sollen. Aber Jörg und ich müssen eigentlich Sonntag wieder daheim sein. So entschließen wir uns letztlich doch am Samstag früh zur Heimfahrt. Also geht es im Abstieg von der Rostock-Essener-Hütte zu unserem Auto auf dem Parkplatz in Ströden. Bei schönstem Wetter kehren wir dem Großvenediger etwas wehmütig den Rücken und treten die Heimfahrt nach Chemnitz an. Interessant bleibt die Frage, ob wir den Großvenediger noch einmal bei perfektem Wetter besteigen werden.

Höhenmeter : 0m (ca. 790m im Abstieg)

Gehzeit : 1:45 h

Für die Statistikfreaks : insgesamt wurden von uns während dieser Tour 6395 m im Aufstieg zurückgelegt. Die Angaben über Höhenmeter enthalten jeweils nur die aufwärts gestiegenen Höhenmeter (sofern nicht anders vermerkt). Die gestiegenen Höhenmeter wurden mit einer Avocet Vertech Alpin ermittelt.

Story written by Th. Frank , 5. November 1999; Web Version : 8. Januar 2000.